Fragen und Antworten Wie schnell hätte die Schweiz ihr Erdgas angezapft?

aka

10.6.2022

Ein Geothermie-Projekt in St. Gallen scheiterte am 7. Mai 2013, als die Erde bebte.
Ein Geothermie-Projekt in St. Gallen scheiterte am 7. Mai 2013, als die Erde bebte.
Bild: KEYSTONE

Unter dem Schweizer Boden hat es Erdgas. Es gibt Ideen, dieses zu fördern. Doch das ist kompliziert. Eine Übersicht.

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10.6.2022

In der Ukraine ist Krieg und da will sich auch die Schweiz möglichst unabhängig von russischem Rohöl und Erdgas machen. Eine zurzeit diskutierte Idee: Das im Schweizer Boden vorhandene Erdgas nützen.

Diese Debatte ist auch im Bundeshaus angekommen. So fordert der SVP-Nationalrat Christian Imark den Bundesrat in einem Vorstoss auf, die einheimische Förderung von Erdgas «ernsthaft zu prüfen». Zudem soll es einen runden Tisch geben, um abzuklären, wie das Öl gefördert werden könnte. Der SVP-Politiker verlangt gar finanzielle Garantien vom Bund, damit die Gasförderung schnellstmöglich beginnen könnte.

Das finden die Parteien

Klingt einfach? Ist aber kompliziert. Über die Frage, ob man hiesiges Gas fördern sollte, sind sich die Politiker*innen gar nicht einig. Die SP und die Grünen sind dagegen. Aus Umweltschutzgründen. Den Grünen schwebt stattdessen etwa alpine Solarenergie vor, wie Nationalrat Bastien Girod (ZH) dem «Tages-Anzeiger» sagte. Berichte des Weltklimarates IPCC  zeigen, dass neue Erdgasquellen problematisch wären, um die Klimaziele von Paris zu erfüllen. Unterstützung in der ablehnenden Haltung erhält Links-Grün dabei von der GLP.

Energiekrise
Soll die Schweiz ihr Erdgas fördern?

Anders klingt es bei FDP und Mitte. Dort wird die Idee einer inländischen Gasförderung als «interessant» befunden. Doch möchte man die Antwort des Bundesrats auf Imarks Vorstoss abwarten. Dass Abklärungen sinnvoll seien, heisst es auch von der Mitte. Doch dürfte es wohl länger dauern, bis die Gasvorkommen denn auch wirklich gefördert werden könnten. Die Bevölkerung könnte Bohr-Projekte – zuständig für diese sind die Kantone – verhindern.

Das sagt die Forschung

Bedenken gegenüber der Umwelt sind ein Argument gegen die hiesige Erdgasförderung. Keinen Sinn ergibt eine solche für Walter Steinmann, wie dieser dem «Tages-Anzeiger» sagte. Steinmann ist ehemaliger Direktor des Bundesamts für Energie und Verwaltungsrat bei Transitgas. Letztere ist für den Erdgastransport in der Schweiz verantwortlich. Steinmanns Begründung: «Die Schweiz will in dreissig Jahren die Emissionen auf netto null senken.»

Sämtliche Explorationsprojekte seien vor fünf bis zehn Jahren gestoppt worden, weil sich gesetzliche und politische Rahmen geändert hätten, sagt Geologe Werner Leu. Auch das erschwere die Förderung.

Das sind die Standorte

- Das grösste theoretische Potenzial wird in der Westschweiz vermutet: 50 bis 100 Milliarden Kubikmeter Schiefergas schätzen Geologen dort, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Doch vor Jahren wurden aus Umweltschutzgründen Bohrprojekte gestoppt, wie Werner Leu in der Zeitung ausführt. Der Geologe gehört zu den besten Kennern der Erdgasexploration in der Schweiz.

- Am Genfersee in Noville liegt ein Erdgasprojekt in 3500 Meter Tiefe. Das ist gesichert. Doch schon erste weitergehende Versuche konnten nicht durchgeführt werden. Warum? Der Kanton Waadt erliess 2019 ein Verbot für die Förderung von Kohlenwasserstoffen.

- Im Tessin könnte allenfalls im Mendrisiotto Erdgas liegen. Doch dort braucht es neue seismische Daten und dann zahlreiche Bohrungen, um überhaupt das wirtschaftliche Potenzial abschätzen zu können.

Ab wann könnte das Gas gefördert werden?

Das dauert. Grund sind einerseits die Politik, aber auch die Beschwerdekultur. Der «Tages-Anzeiger» zeigt es exemplarisch am Standort Noville im Waadtland. Dort herrscht ein Bohrverbot. Ob dieses je aufgehoben wird, ist eine politische Frage.

Kommt hinzu: Allein die Explorationsbohrungen würden drei bis fünf Jahre dauern. Weitere Jahre kämen dazu, um die Förderinfrastruktur aufzubauen. Geologe Werner Leu rechnet mit mindestens zehn Jahren.