Explodieren die Kosten?Seco-Experten: Vaterschaftsurlaub kann richtig teuer werden
tafi
11.6.2019
Die Papi-Zeit kann ziemlich teuer werden, befürchtet das Seco. Laut Schätzungen des Staatssekretariats sind die wahren Kosten eines Vaterschaftsurlaubs bis zu vier Mal so hoch, als angenommen.
Wohl im nächsten Jahr kommt die Vaterschaftsurlaubsinitiative an die Urne. Über die Forderung nach einem vierwöchigen bezahlten Urlaub für frischgebackene Väter wird seit der Einreichung heftig gestritten – nicht zuletzt wegen der zu erwartenen Kosten von mehr 420 Millionern Franken. Aus diesem Grunde sucht die Sozialkommission des Ständetrats mit einem indirekten Gegenvorschlag einen Kompromiss mit zwei Wochen Urlaub für junge Väter vor.
Der würde, so berichtet es der «Tages-Anzeiger», nach Schätzungen des Bundesamts für Sozialversicherungen den Bund 224 Millionen Franken jährlich kosten. Diese Kosten beziehen sich ausschliesslich auf die Leistungen, die Väter aus der Erwerbsersatzversicherung erhalten. Für die 224 Millionen Franken müssten die Lohnbeiträge um 0,06 Prozent erhöte werden, je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen.
Indirekte Kosten für Überstunden und Ersatzlösungen
Laut der Zeitung regt sich aber besonders im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Widerstand. Dort schätzt man, dass der zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub viel teurer werden würde als vom Bundesamt für Sozialversicherungen angegeben. Kosten bis zu 1,1 Milliarden Franken würden der Wirtschaft demnach entstehen. Grundlage für die Seco-Schätzungen ist eine Studie zu Abwesenheiten von Eltern pflegebedürftiger Kinder, die sich wiederum auf Fachliteratur beruft. Demnach seien die indirekten Kosten zwei bis vier Mal so hoch wie die direkten Kosten.
Genau diese indirekten Kosten bezieht das Seco in seine Schätzungen ein. Wenn Väter wegen des zusätzlichen Urlaubs ausfallen, müssten Unternehmen auch für Organisationsaufwand, Überstunden anderer Mitarbeitender sowie für Ersatzlösungen zahlen, wie Pascal Muller, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Seco, im «Tages-Anzeiger» erklärt.
Muller ist auch Sekretär des KMU Forums: Die vom Bundesrat eingesetzte Kommission von ausserparlamentarischen Expertinnen und Experten setzt sich für die Belange von kleinen und mittleren Unternehmen ein. Einen staatlich geregelten Vaterschaftsurlaub lehnt es aus Kostengründen ab, schreibt der «Tages-Anzeiger». Man habe der ständerätlichen Sozialkommission die Einwände in einem Brief erläutert, die indirekten Kosten seien hervorgehoben worden.
Zahlen als politisches Ausdrucksmittel
Die Sozialpolitiker «hätten aber usanzgemäss nicht alle Vernehmlassungsantworten im Detail beraten», hat der «Tages-Anzeiger» von Kommissionspräsident Joachim Eder erfahren. Auch der Bundesrat, federführend war das EDI unter Alain Berset (SP), habe die Zahlen in einer Stellungnahme nicht erwähnt. Das Seco wiederum gehört zum von SVP-Nationalrat Guy Parmelin geführten Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Die SVP lehnt den Vaterschaftsurlaub ab.
«Mit den indirekten Kosten argumentieren dieselben Kreise, die sagen, Väter könnten Ferien nehmen und selber für einen Urlaub sorgen. Da würden genau die gleichen indirekten Kosten entstehen», kritisiert SP-Nationalrat Adrian Wüthrich die Seco-Schätzungen. Auf der anderen Seite findet FDP-Ständerat Josef Dittli, ein Gegner von Initiative und Gegenvorschlag, dass die Schätzungen realistisch seien. «Je kleiner ein Unternehmen ist, desto schwieriger ist es, die Kosten einer Abwesenheit zu kompensieren», wird er im «Tages-Anzeiger» zitiert.
Dass der indirekte Gegenvorschlag im Ständerat eine Mehrheit findet, davon ist Wüthrich dennoch überzeugt. Er wird aber nur dann umgesetzt, wenn die die Vaterschaftsurlaubsinitiative zurückgezogen oder an der Urne scheitert. Während letzteres nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein Rückzug der Initiative für den Präsidenten des Vereins «Vaterschaftsurlaub jetzt» absolut kein Thema.
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