Kampf um Ungeimpfte «Die Fronten dürfen sich nicht weiter verhärten»

Von Lukas Meyer

6.8.2021

Junge Ärztinnen sollten gezielt jungen Frauen die Fakten zur Impfung vermitteln, findet eine Politikerin.
Junge Ärztinnen sollten gezielt jungen Frauen die Fakten zur Impfung vermitteln, findet eine Politikerin.
KEYSTONE

Die Schweiz hinkt beim Impfen den Nachbarn hinterher. Einige Politiker fordern den Ausbau von niederschwelligen Angeboten, andere wollen den Druck erhöhen – und sie haben bereits die Abstimmung über die Revision des Covid-Gesetzes vom November im Hinterkopf.

Von Lukas Meyer

6.8.2021

Die Impfkampagne hat im Juli Schwung verloren, konstatierte Martin Ackermann am Dienstag vor den Medien. Die von ihm präsidierte Taskforce fordert mehr Massnahmen, um die Menschen von der Impfung zu überzeugen – das Potenzial sei noch nicht ausgeschöpft, aber die Anreize müssten erhöht werden. 

Von der direkten Ansprache über finanzielle Anreize bis zu erhöhtem Druck reicht die Palette. Die Kantone machen momentan vor allem niederschwellige Angebote wie mobile Impfteams und Walk-in-Möglichkeiten. Was halten Politiker davon?



SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer betont im Gespräch mit «blue News»: «Die Schweiz steht nicht so schlecht da.» Von Druck und zusätzlichen Anreizen für die Impfung hält sie wenig. Man müsse auf die Leute zugehen: «Impfbusse in ländliche Gemeinden zu schicken, würde einiges bringen. So kann man sich ohne Voranmeldung impfen lassen – vielen ist das zu kompliziert mit der Registrierung und der Terminbuchung.»

«Mehr Druck ist kontraproduktiv»

Auch die Baselbieter Grünen-Ständerätin Maya Graf findet niederschwellige Impfangebote wichtig. Zudem greift sie einen Vorschlag auf, den Verhaltenswissenschaftler Gilles Chatelain in den CH-Media-Zeitungen gemacht hat: Man sollte allen noch nicht geimpften Personen einen automatischen Impftermin vorschlagen. «Ich bin sicher, dass vor allem junge Menschen sich aus Bequemlichkeit bis jetzt nicht geimpft haben», so Graf auf Anfrage von «blue News».

Auch Graf ist gegen Druck: «Mehr Druck ist kontraproduktiv, die Fronten dürfen sich nicht weiter verhärten. Wir müssen mit Anreizen wie niederschwelligen Impfangeboten und gezielter Aufklärung weiterfahren und die Geduld nicht verlieren.»

Zudem müssten die sachlichen Impfinfos auch von Personen kommuniziert werden, die bei noch nicht geimpften Gruppen eine grosse Glaubwürdigkeit haben – etwa bestimmte Berufsgruppen oder Migrant*innen, meint Maya Graf. «So sollten zum Beispiel junge Ärztinnen, Forscherinnen oder Gesundheitsfachfrauen den jungen Frauen die medizinischen Fakten bezüglich einer Impfung aufzeigen.»

Therese Schläpfer fordert ebenfalls, dass die Behörden besser informieren: «Bei vielen ist zu wenig Wissen vorhanden, etwa darüber, dass nicht erst seit einem Jahr an Corona-Impfstoffen geforscht wird, sondern schon viel länger. Man musste hier nicht bei null anfangen.» Auch sollte man den Leuten mehr Auswahl geben und nicht nur mRNA-Impfstoffe anbieten, sondern etwa auch einen vektorbasierten Impfstoff.

Ungeimpfte sollen Tests selber bezahlen

Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli dagegen findet, man sollte – neben einer Werbekampagne – den Druck erhöhen, um die Menschen von der Impfung zu überzeugen. Inbesondere sollten Impfunwillige Tests selber bezahlen, sagt er auf Anfrage von «blue News».

Diese Idee brachte Bundespräsident Guy Parmelin ins Spiel. Die Antigen-Schnelltests sollen nicht mehr gratis sein, damit man nicht mehr so günstig zu einem temporären Covid-Zertifikat kommt. «Sobald sich alle impfen konnten, die dies wollen, stellt sich die Frage, wer die Tests bezahlen soll», so Parmelin. «Der Steuerzahler? Da bin ich mir nicht sicher.»

In Basel unterstützen bürgerliche Politiker diese Forderung. «Die Schnelltests müssen unbedingt kostenpflichtig werden», sagt SVP-Grossrat Joël Thüring der «Basler Zeitung». Das liefere einen Anreiz, sich impfen zu lassen. Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger von der Mitte dagegen will die Tests weiterhin gratis anbieten. Diese seien immer noch ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Corona und dürften nicht abgeschwächt werden. Auch die SP findet niederschwellige Testmöglichkeiten für Ungeimpfte wichtig.

Noch weiter ging FDP-Nationalrat Kurt Fluri – er könne sich einen «indirekten Impfzwang» vorstellen, sagte er CH Media. So sollten Personen, die sich impfen können, aber nicht wollen, beim Besuch von Veranstaltungen eingeschränkt werden. Zudem sollten sie im Fall einer Erkrankung selber für die Behandlungskosten aufkommen. Wer sich impfen lassen könnte und dies nicht tue, handle fahrlässig, so Fluri. Doch diese Forderung stiess auf Widerstand von links bis rechts.


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Wie könnten Bund und Kantone die Menschen von der Impfung überzeugen?

Vor Abstimmung Ruhe bewahren und sachlich auftreten

Schliesslich wird im November erneut über das Covid-19-Gesetz abgestimmt. Nach der Niederlage im Juni haben Massnahmenskeptiker auch gegen die Revision vom März das Referendum ergriffen und im Juli 186'000 Unterschriften eingereicht.

Will der Bund darum nicht zu viel Druck ausüben? Josef Dittli glaubt nicht, dass dies einen Einfluss auf die aktuellen Massnahmen hat. Auch Maya Graf sagt: «Nein, auch hier gilt Ruhe bewahren und sachlich, aber bestimmt auftreten.» Die Gegner würden versuchen, eine Desinformationskampagne zu machen – dem gelte es entgegenzutreten und über den ganz praktischen Inhalt der Revisionspunkte zu informieren.

Anderer Meinung ist Therese Schläpfer. Sie denkt, dass der Bund Bedenken hat wegen der Abstimmung im November und darum zurückhaltender ist. «So wie die Leute behandelt werden, so werden sie abstimmen.» Doch wenn die Pandemie nun eine gute Wende nehme, werde das kein Problem sein.