OECD-Mindeststeuer Links und Rechts streiten um Milliarden, die gar nicht auf sicher sind

misc, sda

15.8.2022 - 17:55

Die Erwartungen in die Mehreinnahmen aus der OECD-Mindeststeuer sind laut Avenir Suisse überrissen. (Themenbild)
Die Erwartungen in die Mehreinnahmen aus der OECD-Mindeststeuer sind laut Avenir Suisse überrissen. (Themenbild)
Keystone/ALESSANDRO CRINARI

Die geplante Umsetzung der OECD-Mindeststeuer wird sowohl von rechter als auch linker Seite kritisiert. Während die Denkfabrik Avenir Suisse vor einer neuen, systemfremden Umverteilung warnt, wünscht die SP eine gerechtere Verteilung der Mehreinnahmen auf die Kantone.

15.8.2022 - 17:55

Die geplante Umsetzung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz wird kritisiert. Während die wirtschaftsliberale Denkfabrik Avenir Suisse vor einer systemfremden Umverteilung warnt, wünscht die SP eine gerechtere Verteilung der Mehreinnahmen auf die Kantone.

Die gesamte Bevölkerung müsse von den Mehreinnahmen profitieren, forderte die SP am Montag an einer Medienkonferenz in Bern. Die vom Bund vorgeschlagene Lösung sei ungerecht und ineffizient.

Die SP stützte sich bei ihrer Kritik auf eine in ihrem Auftrag erstellte Studie des Beratungsbüros BSS. Die Studie schätzt die kurzfristigen Mehreinnahmen aus der neuen OECD-Mindeststeuer auf rund 1,6 Milliarden Franken.

Vier Kantone teilen sich den Löwenanteil

Mit dieser Schätzung liegt das Basler Büro BSS für volkswirtschaftliche Beratungen im Streubereich der Mehreinnahmen, die die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) im letzten März errechnet hat. Demnach liegt das Potenzial für Mehreinnahmen zwischen einer und 2,5 Milliarden Franken.

Die Sozialdemokraten sehen bei der Verteilung allerdings ein grosses Problem: Gemäss den Berechnungen würden der grösste Teil der Mehreinnahmen in gerade einmal vier Kantonen anfallen. Basel-Stadt (362,2 Millionen Franken), Zug (322,7 Millionen), Aargau (252,1 Millionen) und Zürich (249,1 Millionen) würden 75 Prozent des Zustupfs auf sich vereinen.

Auf der andren Seite der Skala stünden demnach  die Kantone Jura (0,0 Millionen), Genf (0,1 Millionen), Glarus (0,3 Millionen) und Appenzell Innerrhoden (0,5 Millionen Franken). 

SP will Kaufkraft stärken

Die SP will nun andere Schwerpunkte setzen und mit den Mehreinnahmen die Kaufkraft von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen stärken. Die Luzerner Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo bringt etwa Verbilligungen bei Krankenkassenprämien und Beiträgen an Kitaplätze oder einen Teuerungsausgleich bei den Renten ins Spiel.

Konkret rechnet die BSS-Studie zwei Möglichkeiten durch, um eine gleichmässigere Verteilung zu erreichen: Im ersten Szenario würde der Bundesanteil an den Mehreinnahmen erhöht. Zudem würde festgelegt, dass ein einzelner Kanton pro Einwohnerin und Einwohner maximal 300 Franken mehr erhalten soll. Im zweiten Szenario würde der Bundesanteil wie bei der direkten Bundessteuer auf 78,8 Prozent erhöht.

Avenir Suisse erwartet sinkende Gewinne

In eine ganz andere Richtung zielt die Kritik von Avenir Suisse. Die Erwartungen hinsichtlich der Mehreinnahmen seien viel zu hoch, heisst es bei der Denkfabrik. Zumindest müsse auf den Bundesanteil an der Ergänzungssteuer verzichtet werden, heisst es in einer am Montag veröffentlichten Analyse.

Die höhere Steuerbelastung werde die Gewinne der Konzerne drücken, so Avenir Suisse. Entsprechend würden die Steuereinnahmen sinken. Vor diesem Hintergrund drohe ein Bundesanteil den finanziellen Spielraum der Kantone unnötig einzuengen.

«Fremdkörper im föderalen Gefüge»

Die zusätzliche Umverteilung sei zudem ein Fremdkörper im föderalen Gefüge. Die Schweiz kenne einen funktionierenden Finanzausgleich, der interkantonale Unterschiede effektiv zu glätten vermöge.

Kritisch sieht die Analyse steuerliche Unterstützungselemente, die über die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Unternehmen hinausgehen. Diese sollen gemäss den Plänen des Bundesrates die mit der Mindeststeuer verbundenen Nachteile kompensieren.

Es sei besser, sich auf den Erhalt und die Stärkung der allgemeinen Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu konzentrieren, so Avenir Suisse. Dazu gehöre etwa eine rasche und konsequente Digitalisierung der Verwaltung und eine Reduktion der Vermögens- und Kapitalertragssteuern.

2000 Unternehmen von neuer Mindeststeuer betroffen

Grosse international tätige Unternehmen mit Umsätzen über 750 Millionen Euro sollen ab Anfang 2024 auch in der Schweiz eine Mindeststeuer von 15 Prozent bezahlen müssen.

Erreicht werden soll das über eine Ergänzungssteuer, die die Differenz zwischen einer tieferen Besteuerung und der Mindeststeuer deckt. Von der Massnahme wären laut Finanzminister Ueli Maurer etwa 2'000 Unternehmen betroffen.

Nicht unter die neue Regelung fallen 600'000 kleinere und rein national tätige Unternehmen. Das Parlament wird die Vorlage noch in diesem Jahr beraten. Im Juni 2023 ist dann das Stimmvolk an der Reihe.

Der Bundesrat schlägt dem Parlament vor, dass ein Viertel der Mehreinnahmen aus der Besteuerung grosser Unternehmensgruppen an den Bund zurückfliessen soll. Die kantonalen und städtischen Finanzdirektorinnen und -direktoren sind mit an Bord.

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