Finanzausgleich Stellt sich Nationalrat gegen das Stöckli?

Von Anna Kappeler

7.5.2019

Der Finanzausgleich ist heute Thema in der Sondersession des Nationalrates.
Der Finanzausgleich ist heute Thema in der Sondersession des Nationalrates.
Bild: Keystone/Gaetan Bally

Der Finanzausgleich soll angepasst werden. Für diese Diskussion hat sich der Nationalrat heute den ersten Tag seiner Sondersession reserviert. Wird er sich dabei gegen Bundes-, Ständerat und 22 Kantone stellen?

Das Prinzip ist gutschweizerisch solidarisch: Nicht alle Kantone sind finanziell gleich leistungsfähig. Hier setzt der nationale Finanzausgleich (NFA) an. So muss ein Kanton mit hohen Steuereinnahmen wie etwa Zürich Geld in einen Topf einbezahlen, aus welchem Kantone mit geringen Steuereinnahmen wie beispielsweise Bern dann wiederum Zuwendungen erhalten. Auch der Bund beteiligt sich an dem Ressourcenausgleich.

Dabei geht es um beträchtliche Summen. 2018 betragen die gesamten Ausgleichszahlungen knapp 5,1 Milliarden Franken, wie das Eidgenössische Finanzdepartement schreibt. Dieses Jahr sollen es rund 132 Millionen mehr werden: 2019 sind Ausgleichszahlungen in Höhe von gut 5,2 Milliarden vorgesehen.

Geberkantone mussten mehr zahlen

So weit, so klar. Nur: Die finanzstarken Kantone mussten deutlich mehr einzahlen als geplant. Und die Nehmerkantone erhielten mehr als vorgesehen. Beides ging aus dem Wirksamkeitsbericht zum NFA hervor. Besonders die Konferenz der Kantonsregierungen störte sich daran. Der Bundesrat hat deshalb eine Botschaft ans Parlament verabschiedet, die darauf Rücksicht nimmt und den NFA reformieren würde.



Als wichtigstes Element soll die Mindestausstattung im Ressourcenausgleich auf 86,5 Prozent des schweizerischen Mittels erhöht und gleichzeitig garantiert werden. Der Ständerat hat in der vergangenen Wintersession dazu deutlich Ja gesagt. Damit müssten die Geberkantone ab 2020 weniger in den NFA einzahlen. Auch der Bund würde sparen – diese 280 Millionen Franken sollen im System bleiben.

Kommission will beide Lastenausgleiche erhöhen

Heute beugt sich der Nationalrat über das sperrige Geschäft. Zwar wird auch die Grosse Kammer die Revision wohl annehmen. Dennoch zeichnen sich deutliche Differenzen zum Ständerat ab. 140 Millionen Franken sollen während fünf Jahren als Übergangshilfe an die ressourcenschwachen Kantone gehen, und zwar nach Anzahl Einwohner. Die übrigen 140 Millionen Franken sollen in den soziodemografischen Lastenausgleich fliessen. Die Finanzkommission des Nationalrats beantragt nun, die Hälfte dieses Betrags dem geografisch-topografischen Ausgleich zukommen zu lassen. Der Entscheid fiel mit 13 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Dies gegen den Willen des Bundesrates und der Kantone: Diese wollten bloss den Beitrag für den soziodemografischen Ausgleich aufstocken.

Profit, obwohl bereits entlastet

Was kompliziert klingt, bedeutet vereinfacht gesagt: Heute erhalten benachteiligte Regionen einen Lastenausgleich. So werden auch Kantone mit sogenannten Sonderlasten finanziell unterstützt – etwa für den Aufwand, den eine grosse Stadt für ihre Infrastruktur betreiben muss. Oder den ein Kanton mit dünner Besiedelung hat. Der soziodemografische Ausgleich kommt den Städten zugute. Er gilt als unterdotiert gegenüber dem geografisch-topografischen Ausgleich, von dem Bergregionen profitieren.

Laut den Gegnern aber haben die Städte viel mehr Sonderlasten zu tragen als die Bergregionen. Zudem würden vom soziodemografischen Lastenausgleich vor allem Geberkantone profitieren, die mit der Reform ja ohnehin schon entlastet werden. Folgt der Nationalrat hier seiner Kommission, stellt er den Kompromiss infrage, dem vorher 22 Kantonsregierungen zugestimmt hatten.

Kantone intervenieren bei Politikern

Der St. Galler Regierungsrat Benedikt Würth, Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, hat deshalb schriftlich bei den Fraktionen interveniert. «Es gibt keinen Bedarf, beim geografisch-topografischen Lastenausgleich die Mittel aufzustocken. Bereits heute ist der soziodemografische Lastenausgleich unterdotiert. Wir bitten die Fraktionen, sich an den Kompromiss der Kantone zu halten», sagt Würth «Bluewin». Er sei zuversichtlich, dass der Nationalrat im Sinne der Kantone entscheiden werde. «An ein anderes Szenario mag ich heute noch nicht denken», sagt Würth.

«Müssen uns zusammenraufen»

Darüber gestritten, wie die eingesparten Bundesgelder verteilt werden sollen, hatte bereits der Ständerat. Die beiden Kantonsvertreter aus dem Wallis und dem Jura hatten den Kompromiss abgelehnt, diejenigen aus Bern und Freiburg sich der Stimme enthalten. Die übrigen Kantonsvertreter weibelten für ein Ja: «Es handelt sich um einen historischen Kompromiss. Jahrelang kämpften wir um ein gerechteres System», sagte Kommissionspräsident und Ständerat Hannes Germann (SVP/SH) im Rat. Man müsse sich nun zusammenraufen und das respektieren, was die Kantone «endlich zustande gebracht» hätten: «Einen Kompromiss, der dem ganzen Land dient.»

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