Innovatives Energieprojekt in Zürich Thermo-Türme sollen Abwärme speichern

tgab

24.6.2022

Urbane Warmwasser-Speicher – hier ein Beispiel ausHeidelberg – können ein Puzzlestück auf dem Weg zu klimaneutralen Städten sein. Und dabei erst noch gut aussehen.
Urbane Warmwasser-Speicher – hier ein Beispiel ausHeidelberg – können ein Puzzlestück auf dem Weg zu klimaneutralen Städten sein. Und dabei erst noch gut aussehen.
KEYSTONE/DPA/Uwe Anspach

Riesige Warmwasser-Speicher könnten einen wichtigen Beitrag leisten, um die Schweiz komplett auf erneuerbare Energien auszurichten. Zürich macht es vor.

tgab

24.6.2022

Vor einem Monat haben sich die Stadtzürcher Stimmberechtigten auf null Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2040 festgelegt. Das bedeutet ein komplettes Umschwenken auf Erneuerbare Energien, wo heute Erdgas noch mit 30 Prozent beteiligt ist. Eine strenge Klima-Vorgabe, die im Alltag umgesetzt sein will.

Einen Lösungsansatz im Bereich Fernwärme schlägt nun Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) vor: Die Dienstabteilung der Stadt Zürich möchte Riesenzylinder aus Stahl mit einer Höhe von 45 Metern und einem Mindestdurchmesser von 15 Metern an mehreren Orten in der Stadt als Wärmespeicher platzieren.

Türme funktionieren wie Thermoskannen

Mit Wasser gefüllt, funktionieren solche Energiespeicher wie gigantische Thermoskannen. Dazu muss man wissen, dass sich Wärme nur in einem Medium speichern lässt – zum Beispiel Wasser. Das Medium wirkt dann als sogenannter Wärmeträger.

Auf diese Weise lassen sich nicht nur Sommerhitze und Abwärme von Fabriken in Speichersilos zwischenlagern auch überschüssiger grüner Strom. In Form von Wärme könnte auch er sinnvoll eingesetzt werden. Im Extremfall liesse sich die Wärme per Turbine sogar wieder in Strom zurückverwandeln – die Speichersilos bilden eine Schnittstelle zwischen Strom- und Wasserversorgung.

Ein weiterer Vorteil der Wärmespeicher-Technik: Bedarfsspitzen können abgepuffert werden, etwa morgens, wenn viele Stadtbewohner mehr oder weniger gleichzeitig die Heizung hochfahren und duschen. Dann muss Fernwärme kurzfristig abrufbar sein. In Zürich stellen heute hauptsächlich Gasfeuerungen diese kurzfristige Energie bereit.

Abwärme vom Heizkraftwerk nutzen

«Solche Energiespeicher sind ein tragendes Element für die Dekarbonisierung der Fernwärme und damit ein wichtiger Schritt in Richtung netto null», bestätigt ERZ-Sprecher Tobias Nussbaum gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

An fünf bis sechs Orten in Zürich will ERZ ab 2024 Wärmespeicher bauen. Gesamtvolumen: 30’000 Kubikmeter. Das Wasser der ersten geplanten Thermo-Türmen soll mit Abwärme aus dem Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz erhitzt werden, die sonst ungenutzt an die Aussenluft abgeführt wird. Laut Nussbaum sind die Arbeiten an diesem Standort am weitesten fortgeschritten.

In Zürich-West steht die Energiezentrale Josefstrasse als Energiespeicher-Standort im Vordergrund der Überlegungen. Als weitere Standorte für Megawärmespeicher kommen die Regionen Looächer in Affoltern und Neu-Oerlikon infrage.

Begrünte Fassade oder Fotovoltaik-Verkleidung

Bei den Planungen arbeite man eng mit dem Amt für Städtebau zusammen, damit die Riesensilos so gestaltet werden, dass sie sich bestmöglich ins Stadtbild einfügen, versichert ERZ-Sprecher Nussbaum dem «Tages-Anzeiger». Deren Fassade könne zum Beispiel eingekleidet oder begrünt werden. Auch eine Nutzung der Fläche mit senkrecht angebrachter Fotovoltaik sei angedacht.

Saisonale Wärmespeicher, die im Sommer Energie in Form von Wärme aufnehmen und diese im Winter wieder abgeben, könnten auch im Kampf gegen die aufgrund des Kriegs in der Ukraine drohende Winterstromlücke eine wichtige Rolle spielen, berichteten Experten vom Energy Science Center der ETH Zürich im «SonntagsBlick».

Bis jetzt gibt es jedoch in der Schweiz nur eine Handvoll Einzelprojekte, etwa den Erdspeicher des Suurstoffi-Areals in Rotkreuz LU oder den geplanten Geothermiespeicher in Bern. In den Energieperspektiven des Bundes ist die saisonale Wärmespeicherung bislang nicht zu finden.