Simonetta Sommaruga «Die Bevölkerung darf nicht das Gefühl haben, bestraft zu werden»

red/SDA

11.8.2021

Der Bundesrat will den CO₂-Ausstoss bis 2050 auf Netto-Null senken. Im Gegensatz zur Gletscher-Initiative verzichtet er aber auf ein Verbot fossiler Energieträger. Simonetta Sommaruga hat in Bern informiert.

red/SDA

Das Wichtigste in Kürze

  • Bis 2050 sollen die Treibhausgas-Emissionen der Schweiz auf Netto-Null sinken. Das will der Bundesrat in die Verfassung schreiben – es ist ein direkter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative.
  • Anders als die Initiative lehnt der Bundesrat ein Verbot, fossile Brenn- und Treibstoffe ab 2050 in Kraft setzen zu dürfen, aber ab.
  • Der Bundesrat will ausserdem, dass Rücksicht auf die «spezielle Situation der Berg- und Randgebiete» genommen wird.
  • Nun ist das Parlament am Zug. Die Gletscher-Initiative wird nicht vor Ende 2022 zur Abstimmung kommen.
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  • 14.55 Uhr

    Schluss – fürs Erste

    Das war die letzte Journalistenfrage, die Medienkonferenz zur Klimapolitik ist damit beendet. Um 15:30 Uhr informiert Alain Berset über die neuesten Beschlüsse zu den Corona-Massnahmen. 

  • 14.54 Uhr

    Ist das genug?

    Umweltschützer hätten in ersten Reaktionen bereits klargemacht: Was der Bundesrat plane, reiche nicht. Man müsse am bewährten Schweizer Vorgehen festhalten, so Sommaruga. Es bringe nichts, sich jetzt schon «die Köpfe einzuschlagen». Der Klimabericht habe zwar gezeigt, dass es nun schnell vorwärtsgehen sollte. Aber man müsse einen Schritt um den anderen vorbereiten, und das mache man nun.

  • 14.51 Uhr

    Verkehr ist überall ein Thema

    Die Diskussionen mit den Kolleg*innen aus der EU seien zum Teil heftig, vor allem im Bereich der Mobilität. Der Verkehr sei überall ein grosses Thema. «Wir lernen von der EU und die EU lernt von uns», sagt Sommaruga. Die Schweiz habe erfolgreiche Massnahmen, andere Staaten würden sich dafür interessieren – das sei auch ein Thema gewesen bei ihrem Austausch mit dem US-Klimagesandten John Kerry.

  • 14.49 Uhr

    Welche Massnahmen sind im Gespräch?

    Kann sie auch schon etwas dazu sagen, welche konkreten Massnahmen im Hintergrund bereits diskutiert werden? Dem könne sie nicht vorgreifen, so Sommaruga. Man sei aber mit Akteuren im Gespräch, die das CO₂-Gesetz abgelehnt hätten, aber nicht gegen Klimaschutz seien. Im Schweizer System sei es normal, dass man nach einer verlorenen Abstimmung rasch einen neuen Anlauf nehme und eine gemeinsame Basis suche.

  • 14.47 Uhr

    Spezifische Herausforderungen auf dem Land

    Sollte man die ländliche Bevölkerung nicht mitnehmen bei der Elektrifizierung der Mobilität? Das müsse man gar nicht gross, meint Sommaruga, das laufe von selber. Es gehe dem Bundesrat nicht nur um das Problem des öffentlichen Verkehrs in Randregionen. Lade-Infrastruktur soll überall vorhanden sein.

    In ländlichen Räumen gebe es gewisse spezifische Herausforderungen, diesen wollte man Rechnung tragen. Schon beim Bauen müsse man vermehrt Klimafragen berücksichtigen. «Diese Herausforderung gilt jetzt schon – in ländlichen und städtischen Räumen.» Die Ablehnung des CO₂-Gesetzes habe gezeigt, dass da die Sensibilitäten zum Teil anders seien.

  • 14.43 Uhr

    Angst vor der Erdöllobby?

    Die fossilen Energieträger seien massgeblich für den Klimawandel verantwortlich, die entsprechenden Branchen seien die Sieger der Versenkung des CO₂-Gesetzes: Hat sie Angst vor dieser Lobby? Sommaruga erklärt, sie habe keine Angst, aber es gehe um eine realistische Langfriststrategie. Man müssen sehen, in welchen Bereichen ein Verzicht auf Öl und Gas nicht möglich sei und welche Ersatzstrategien es gebe. Sie bringt negative Emissionstechnologien ins Spiel.

  • 14.39 Uhr

    Herausforderungen auch für die Stadt

    Urbane Regionen werden nicht erwähnt – will man jenen ein Zückerchen geben, die das CO₂-Gesetz abgelehnt haben? Der Klimawandel habe überall Auswirkungen, momentan seien sie in ländlichen Regionen stärker wahrnehmbar. Die Herausforderungen werden aber auch in städtischen Regionen gross sein, so Sommaruga. Man wollte aber einigen spezifischen Bedürfnissen Rechnungen tragen.

  • 14.37 Uhr

    Angst vor dem Volk?

    Was bringt Sommaruga mehr ins Schwitzen: die globale Erwärmung oder die Angst, das Volk könnte den Klimaplänen des Bundesrats erneut einen Strich durch die Rechnung machen? Sie wolle der Diskussion nicht vorgreifen, so die Umweltministerin. In ihrem Departement werde nun genau analysiert, welche Kreise aus welchen Gründen Nein zum CO₂-Gesetz gesagt hätten, obwohl sie eigentlich den Klimaschutz befürworten. Es sei viel Arbeit, aber nun müsse man Wege finden, die Menschen an Bord zu holen.

  • 14.35 Uhr

    Wie sehen die Ausnahmen aus?

    Wie sehen die Ausnahmen für Berg- und Randregionen wie auch für Polizei und Armee? Konkrete Massnahmen müssten dann in einem Gesetz spezifiziert werden, sagt Sommaruga. Man wollte aber klarmachen, dass man auch diese Bedürfnisse berücksichtigen und so in der Verfassung festhalten werde. Gewissen Bereichen wolle der Bundesrat eine hohe Beachtung schenken.

  • 14.33 Uhr

    Zwängerei?

    Wie will der Bundesrat verhindern, dass Gegner*innen des CO₂-Gesetzes den Gegenvorschlag nun als Zwängerei kritisieren? Sommaruga: Man sei der gesetzlichen Fristen zufolge verpflichtet, jetzt auf die Gletscher-Initiative zu reagieren. Sie unterstreicht ihre Hoffnung, dass das Parlament grosses Engagement an den Tag legen werde.

  • 14.29 Uhr

    Bevölkerung mitnehmen

    Müsste die Schweiz nicht ehrgeiziger sein, fragt ein Journalist. Diese Frage werde an der Weltklimakonferenz diskutiert werden, meint Sommaruga. Momentan müsse man das Netto-Null-Ziel im Auge behalten. «Für die Glaubwürdigkeit ist es nicht, keine Hauruck-Übungen zu machen.» Es sei wichtig, die Bevölkerung mitzunehmen für diese Massnahmen. Man müsse dafür nun eine gemeinsame Basis erarbeiten.

  • 14.28 Uhr

    Fragen der Journalist*innen

    Reicht das Ziel Netto-Null bis 2050 nach dem alarmierenden neuesten Klimabericht des Weltklimarates? Den Bericht habe man zur Kenntnis genommen, so Sommaruga. Aber mit dem heutigen Gegenvorschlag reagiere man auf die Gletscher-Initiative. Die Klimapolitik stehe nicht still, man werde weitere Erkenntnisse bei künftigen Massnahmen berücksichtigen.

  • 14.23 Uhr

    Massnahmen auch auf Gesetzesebene

    Zwei Fragen stellten sich nach dem Nein zum CO₂-Gesetz: Soll der Bundesrat bereits wieder eine klimapolitische Vorlage bringen? Hier habe der Bundesrat gar keine Wahl, er musste sich zur Initiative äussern. Und braucht es nicht eher konkrete Massnahmen auf Gesetzesebene als Ziele in der Verfassung? Es braucht beides, meint Sommaruga.

  • 14.20 Uhr

    Gletscher-Initiative geht dem Bundesrat zu weit

    Der Bundesrat habe seine bisherige Haltung bekräftigt und hält am Netto-Null-Ziel fest. Die Gletscher-Initiative habe das gleiche Ziel, gehe aber in einigen Massnahmen weiter – zu weit für den Bundesrat. Darum habe man der Initiative einen direkten Gegenentwurf entgegengestellt.

  • 14.18 Uhr

    Die Medienkonferenz beginnt

    Simonetta Sommaruga sieht das Nein zum CO₂-Gesetz am 13. Juni nicht als Nein zum Klimaschutz, sondern als Nein zu den konkreten Massnahmen. Deshalb brauche es andere Vorschläge. «Die Bevölkerung darf in der Klimapolitik nicht das Gefühl haben, bestraft zu werden», so Sommaruga. Ihr Departement arbeite an alltagstauglichen konkreten Massnahmen.

Die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» will den Klimaschutz und die Zielsetzungen des Pariser Übereinkommens von 2015 in der Verfassung verankern. Diese verlangt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als natürliche und technische CO₂-Speicher aufnehmen können. Auch sollen in der Schweiz grundsätzlich keine fossilen Brenn- und Treibstoffe wie Öl, Gas, Benzin oder Diesel mehr eingesetzt werden dürfen.

Der Bundesrat hat sich an seiner heutigen Sitzung entschieden, der Initiative einen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen. Er hat die entsprechende Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.

Wie die Initiative will auch der Gegenvorschlag bei den Treibhausgas-Emissionen Netto-null bis 2050 als Ziel definieren. Er verzichtet aber auf ein grundsätzliches Verbot fossiler Energieträger. Der Bundesrat will zudem, dass neben der Sozialverträglichkeit auch die spezielle Situation der Berg- und Randgebiete in der Verfassung berücksichtigt werden. Denn diese Gebiete seien beispielsweise mit dem öffentlichen Verkehr weniger gut erschlossen als städtischere Gebiete.

Und, eine weitere Abweichung von der Initiative: Armee, Polizei und Rettungsdienste sollen für Schutz- und Rettungseinsätze bei Bedarf auf fossile Treibstoffe zurückgreifen können.

Der Bundesrat möchte es ausserdem offen lassen, ob die im Jahr 2050 verbleibenden Treibhausgasemissionen mit CO₂-Speichern im Inland oder im Ausland auszugleichen sind.

Umweltministerin Simonetta Sommaruga präsentiert am Mittwoch die Botschaft des Bundesrates dazu sowie mit dem Bundesbeschluss über die Klimapolitik den direkten Gegenentwurf. Neben Sommaruga wird Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamts für Umwelt (Bafu), auf dem Podium sein.

Mandat für Klimakonferenz in Glasgow verabschiedet

Ebenfalls am Mittwoch wurde mitgeteilt, dass sich die Schweiz an der Konferenz zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens im November für einheitliche Regeln für alle Vertragsstaaten einsetzen wird. Der Bundesrat hat das Mandat der Schweizer Delegation verabschiedet.



Sowohl Bundespräsident Guy Parmelin als auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga werden die Schweiz in Glasgow vertreten. Das Übereinkommen von Paris hat zum Ziel, die durchschnittliche globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Angestrebt wird ein maximaler Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius.

Globaler Zielrahmen für biologische Vielfalt

Ebenfalls hat der Bundesrat entschieden, dass sich die Schweiz an der 15. Vertragsparteienkonferenz der Biodiversitätskonvention im Oktober für «ambitionierte, messbare und prägnante Ziele» einsetzen will. Eines der Ziele sieht vor, bis 2030 weltweit insgesamt 30 Prozent der Flächen für Biodiversität zu sichern («30 by 30»).

Der Bundesrat hat das entsprechende Mandat der Schweizer Delegation verabschiedet. Die Konferenz, die am 11. Oktober im chinesischen Kunming eröffnet wird, will einen neuen globalen Zielrahmen für die biologische Vielfalt verabschieden. Für die Schweiz nimmt Umweltministerin Simonetta Sommaruga virtuell an der Konferenz teil.