OECD-Mindeststeuer «Unsere Spiesse, meine Damen und Herren, werden kürzer»

Von Alex Rudolf

25.4.2023

Finanzministerin legt Argumente für die OECD-Mindeststeuer vor

Finanzministerin legt Argumente für die OECD-Mindeststeuer vor

Stabile Rahmenbedingungen schaffen und Steuereinnahmen und Arbeitsplätze für die Schweiz sichern: Mit diesen Begründungen empfehlen Bundesrat und Parlament ein Ja zur Mindestbesteuerung von international tätigen Konzernen gemäss OECD und G20-Regeln.Finanzministerin Karin Keller-Sutter stellte am Montag in Bern die Argumente für ein Ja am 18. Juni vor. Umgesetzt werden soll die OECD/G20-Mindeststeuer auf der Grundlage einer Verfassungsänderung, über die Volk und Stände an der Urne entscheiden.

24.04.2023

Die OECD-Mindeststeuer kommt. Der Bundesrat und der Chef der kantonalen Finanzdirektoren rühren eifrig die Werbetrommel. Ein Ökonom hingegen sagt, dass Grosskonzerne künftig am noch längeren Hebel sitzen.

Von Alex Rudolf

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Steuern für Grossunternehmen sollen aufgrund der OECD-Richtlinie auf 15 Prozent erhöht werden.
  • Am 17. Juni wird das Stimmvolk über eine entsprechende Vorlage befinden, gegen die die SP das Referendum ergriffen hat.
  • Den Sozialdemokraten passt der Verteilschlüssel nicht, mit dem das zusätzliche Geld abgegeben werden soll.
  • Wirtschaftsökonom Christoph Schaltegger erklärt die Chancen und Risiken.

Die Schweiz hat keine Bodenschätze, das Leben hier ist teuer und auch die Bodenpreise sind hoch. Doch neben einer grossen Rechtssicherheit, einer hohen Lebensqualität und gut ausgebildeten Uni-Absolvent*innen hatte die Schweiz im internationalen Wettbewerb bislang einen grossen Standortvorteil: tiefe Steuern.

Dieser Vorteil aber ist bald Geschichte. Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) mahnte an einer Medienkonferenz in Bern: «Unsere Spiesse, meine Damen und Herren, werden kürzer» und meinte damit die Erhöhung der Steuern aufgrund der OECD-Richtlinie. Endet nun also das Erfolgsmodell Schweiz?

Zur Erklärung: Rund 140 Staaten heben die Steuern für Unternehmensgruppen mit einem Gewinn von über 750 Millionen Franken auf 15 Prozent an. Das ist das Niveau, auf das sich die Mitglieder der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) geeinigt haben.

Am 18. Juni wird das Stimmvolk über eine entsprechende Vorlage befinden, gegen die die SP das Referendum ergriffen hat. Den Sozialdemokraten passt der Verteilschlüssel nicht, mit dem das zusätzliche Geld abgegeben werden soll. Geht es nach Parlament und Bundesrat sollen nämlich 75 Prozent zurück an die Kantone fliessen und der Rest beim Bund bleiben. Die SP will, dass der Bund mehr behält.

«Das Substrat muss bleiben»

An der Medienkonferenz der Befürworter von Montag fand Ernst Stocker deutliche Worte. «Bislang schafften wir es immer mit tiefen Steuern», sagte er. «Nun müssen wir das bisherige Steuer-Substrat sichern.»

Wie wahrscheinlich ist es, dass Unternehmen die Schweiz tatsächlich verlassen? Christoph Schaltegger ist Professor für politische Ökonomie an der Universität Luzern und Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) und sagt zu blue News, dass der internationale Wettbewerb im Bereich der Steuern mit der neuen OECD-Regelung für die betroffenen Firmen faktisch ausgeschaltet wird.

Professor Christoph Schaltegger sieht einen problematischen und unsauberen Wettbewerb auf die Länder zukommen, die bei dem Steuer-Projekt mitmachen.
Professor Christoph Schaltegger sieht einen problematischen und unsauberen Wettbewerb auf die Länder zukommen, die bei dem Steuer-Projekt mitmachen.
Quelle Uni Luzern

«Der Wettbewerb spielt dann noch über Subventionen, die man den Unternehmen gibt – ein problematischer, für politische Lobbys anfälliger Wettbewerb», sagt er. Noch unsauberer wird es in der Praxis, denn wie gewisse Firmen-Konstrukte genau besteuert werden, bleibe unklar.

Einflussreiche Unternehmen gewinnen an Einfluss

Zwar gebe es beim neuen System keine typischen Schlupflöcher, da diese offiziell gestopft würden. «Auf der anderen Seite werden Tür und Tor für politische Subventions-Projekte geöffnet.» Für eine Firma sei es am Ende des Tages egal, ob sie weniger oder mehr Steuern zahlt, wenn sie denselben Betrag an Subventionen bekommt. Für die Gesellschaft sind Subventionen allerdings eine teure Sache.

Doch für welche Unternehmen genau ist die OECD-Mindeststeuer denn ein Gewinn? «Jene Unternehmen, die bereits heute viel Einfluss haben, werden ihr Lobbying intensivieren und so noch mehr Einfluss gewinnen», sagt Schaltegger. 

Mit der Mindeststeuer schiesse man absolut am Ziel vorbei. Als nächstes Projekt werde sich die OECD nämlich damit befassen müssen, wie der Subventions-Wettbewerb gehandhabt wird. «Bis das geschafft ist, ist es eine Verschlimmbesserung.»

Kleine Volkswirtschaften bieten eine Alternative

Ob es in Zukunft Länder gebe, die für die Schweiz eine besonders grosse Konkurrenz darstellen, ist für Schaltegger schwierig zu sagen. Dies, weil unterschiedliche Unternehmen verschiedene Bedürfnisse haben. «Kleine, offene Volkswirtschaften wie die Schweiz sind von der Reform besonders negativ betroffen.» 

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