KlimaWas jeder tun kann (aber ohne diesen mahnenden Zeigefinger)
Von Philipp Dahm
11.8.2021
Klima retten ist doch ganz einfach: Hör damit auf, lass dies, kauf so ein und ersetze jenes. Die Tipps, die man zum Umweltschutz nachlesen kann, sind manchmal ein wenig nervig. Es geht aber auch anders.
Von Philipp Dahm
11.08.2021, 09:56
11.08.2021, 09:57
Philipp Dahm
Der neue Bericht des Weltklimarats IPCC ist alarmierend. Mal wieder. Vor drei Jahren 2018 sprach «blue News» mit einem Schweizer Forscher, der im IPCC mitwirkt: Thomas Stocker von der Uni Bern warnte im Hitzesommer 2018, «dass die Häufigkeit solcher extremen Wetterbedingungen messbar und spürbar zunimmt».
Vor allem muss man sich immer klar machen, dass alles was heute passiert nur durch die Emmissionen bis 2011 verursacht wird. Co2 wirkt mit ca. 10 Jahren Verzögerung. Was wir seitdem in die Atmosphäre geblasen haben spielt da noch kaum rein.
2021 herrschen anderswo hohe Temperaturen, während hierzulande der Sommer ins Wasser fällt und Überschwemmungen zum Problem werden. Erich Fischer, der als ETH-Forscher im IPCC vertreten ist, sagt zu den neuen Hiobsbotschaften des Weltklimarats: «Anpassungen sind dringend nötig – und auch möglich.»
In der Gesellschaft wird das Thema Klimaveränderung dennoch mitunter kontrovers behandelt – Stichworte: Klimajugend, Fridays for Future oder CO₂-Gesetz.
Woran liegt das eigentlich? Warum reagieren einige Mitmenschen so gereizt, wenn es um die Erwärmung geht? Und wie kann man jene Skeptiker dennoch mit einem Klima-Artikel erreichen, der mit «Was jeder tun kann» überschrieben ist?
Hier ein Versuch.
Fleisch und Knochen
Jaja, Fleisch ist schlecht fürs Klima: Das Schweizer Kilo vom Rind kommt auf 12 bis 13 Kilogramm CO₂, bei Linsen sind es dagegen 0,7 Kilo. Wer spitzfindig ist, kann auch die Zahlen von Kuhmilch mit der von Reis- oder Sojamilch vergleichen – hier stehen 1,36 Kilo CO₂ 0,94 Kilo und 0,7 Kilo gegenüber. Und, na klar: Bitte Bio kaufen.
Das Problem: Das mit dem Fleisch weiss inzwischen jeder, und trotzdem passiert gefühlt nichts. Im Gegenteil: Forderungen nach fleischfreien Tagen treffen regelmässig auf Entrüstung und Empörung. Mitunter wirkt die Rechnerei kleinlich – und das teurere Biofleisch muss eine weniger gut gestellte Familie auch erstmal bezahlen können.
Doch die Lösung ist eigentlich schon da, denn die vegetarischen Produkte haben sich enorm verbessert. Die Nuggets und Plätzchen, die in den Regalen der Detailhändler stehen, können sich wirklich schmecken lassen. Neues ausprobieren statt Verzicht propagieren – so herum wird ein Schuh draus.
Fliegen und Lenken
Auch das ist mittlerweile wohl bei jedem angekommen: Wer viel und hoch fliegt, fällt klimatechnisch tief. Das Auto trägt seinen Teil zur Erwärmung bei, und der Rat, auf Selbiges möglichst zu verzichten, wäre Standard für so einen Artikel. Inklusive Hinweis aufs Elektroauto. Doch wer aus welchen Gründen auch immer da nicht voll mithalten kann, will die kleinen Stellschrauben drehen.
Wer trotz allem in die Ferien fliegt, kann zumindest auf Anschlussflüge verzichten, denn beim Starten und Landen verbrauchen die Jets am meisten.
Der Oldtimer-Fan muss seinen Liebling auch nicht gleich abmelden: Der Lenker bewegt schon was, wenn er bei der Fahrt von Bern nach Lausanne auf die SBB ausweicht.
Kraft des Konsumenten
Das verbesserte Angebot bei vegetarischen Nahrungsmitteln zeigt sehr gut, dass die Wirtschaft macht, was der Kunde will. Sie handelt entsprechend, wie man beim Ökostrom-Angebot sieht. Je mehr Leute auf die auch teureren Tarife wechseln, desto mehr werden die Konzerne beziehen.
Doch Tipps wie diese gibt es haufenweise: Bessere Thermostate, Fenster und Heizungen einzubauen, ist schön und gut, aber nicht für jedes Portemonnaie geeignet. Was aber wirklich jeder machen kann: Plastik vermeiden – und bitte dabei nicht bloss die Säckli beim Posten.
Vorbildcharakter
Die Broken-Windows-Theorie funktioniert auch umgekehrt, impliziert eine Studie. Die hat ergeben: Wenn sich einer im Quartier eine Solarzelle aufs Dach setzt, erhöht sich die Chance erheblich, dass andere dem Beispiel folgen. Wer nun also nicht auf die Ferien mit der Familie verzichtet, bis eine Solarzelle auf dem Haus hängt, ist schuld an der nächsten Flut.
Und wer genau solche Holzhammer-Vorwürfe vermeidet, wenn er oder sie mit Menschen diskutiert, die beim Klima unbedarfter sind, trägt schon mal viel zu fruchtbaren Diskussionen bei. Vorbild kann jeder jeden Tag sein, wenn man die Zigi in den Kehricht wirft, den Wasserhahn zudreht, das Licht löscht oder im klimatisierten Tram das Fenster schliesst – the simple things.
Und: Trägt Freundlichkeit nicht auch zu einer angenehmeren Umwelt bei? Nur so als Gedanke.
Nachhaltigkeit
Was an der Nachhaltigkeit nervt: Sie ist ungemein schwer zu verstehen. Hier kommen einfach zu viele Faktoren zusammen. Etwa bei der Flasche Mineralwasser, die 3500-mal schädlicher für die Umwelt ist als Hahnenwasser, wenn man einberechnet, wie viel Wasser und Energie in Herstellung der Flasche und Transport fliesst.
Doch es gibt ein gutes Beispiel dafür, warum es sich lohnt, darüber nachzudenken. Damit man sich – Verzeihung für die Ausdrucksweise – nicht verarschen lässt. So wie unsere Nachbarn im Norden. In Deutschland hatte sich die Industrie einst den «Grünen Punkt» ausgedacht.
Die Bevölkerung sammelte fleissig Plastikabfall in gelben Säcken, der an windigen Abholtagen wie Steppenroller alias tumbleweed durch die Strassen rollte, und freute sich darüber, «Recycling-Weltmeister» zu sein. Tatsächlich wurde fast der gesamte gesammelt Abfall verbrannt, denn Plastik-Recycling verbraucht enorme Ressourcen und ist teuer. Aber dafür hat niemand mehr hinterfragt, warum wir das Ölprodukt überhaupt einsetzen.
Nachhaltig ist auch, die Firmen in ihren Versprechen zu hinterfragen, ihre Umweltziele einzufordern und gegebenenfalls Missstände via Social Media anzukreiden – siehe Punkt 3.
Und was kann man jetzt konkret machen?
Das ist alles nicht greifbar genug? Was darf's denn sein? Eher allgemeiner wie...
... möglichst lokal und saisonal posten oder ...
... Dinge, die man selten braucht, leihen und nicht kaufen?
Oder doch eher richtig konkret wie Folgendes:...
... Wer im Winter die Raumtemperatur um ein Grad senkt, verbraucht mindestens vier Prozent weniger Energie? Oder:...
... Verkalkte Wasserkocher verbrauchen bis zu 30 Prozent mehr Energie. Sparen kann auch, wer vor dem Sieden abschaltet?
Das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber schreib uns doch, welche kleinen Tricks du auf Lager hast, um den Tag des Jüngsten Klima-Gerichts zu verhindern: Wir sammeln die Hinweise der Leserschaft unter der Mailadresse philipp.dahm@blue.ch –– Betreff «Tipps konkret».