Zur Bettelbrief-Saison Wie viel vom Spendengeld kommt auch tatsächlich an?

Von Gil Bieler

19.11.2019

Die wohl bekannteste Spendenaktion der Schweiz: «Jeder Rappen zählt» von SRG und Glückskette fand 2018 zum zehnten und letzten Mal statt. 
Die wohl bekannteste Spendenaktion der Schweiz: «Jeder Rappen zählt» von SRG und Glückskette fand 2018 zum zehnten und letzten Mal statt. 
Bild: Keystone

Hunderte Hilfswerke werben um Spendengelder – und die Schweizer geben gerne. Aber wie soll man wissen, welche Organisationen seriös sind? Und wie viel vom Geld kommt bei den Bedürftigen an? Die Antworten.

Sie gehören zur kalten Jahreszeit wie die Weihnachtsmärkte: die Spendenaufrufe, die nun wieder vermehrt ins Haus flattern. Bei der grossen Zahl von Hilfswerken fällt die Entscheidung natürlich nicht immer leicht, wem man eine Spende zukommen lassen soll. Schliesslich will man sein Geld in guten Händen wissen.

Eine Orientierungshilfe bietet hierbei die Zewo. Die 1934 gegründete Stiftung mit Sitz in Zürich verleiht als einzige im Land ein Qualitätszertifikat für gemeinnützige Nichtregierungs-Organisationen, kurz NGOs. Hilfswerke können ihre Geschäftspraxis prüfen lassen und werden anhand eines Katalogs mit 21 Kriterien bewertet. Erfüllen sie alle, erhalten sie das Gütesiegel. Aktuell sind 494 Hilfswerke zertifiziert, wie Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer auf Anfrage von «Bluewin» mitteilt.  



Ihre Standards würden «zum vertrauenswürdigen Umgang mit Spenden und zu einer klaren Information der Spenderinnen und Spender» verpflichten, schreibt die Zewo auf ihrer Website. Zum Kriterienkatalog gehört unter anderem, dass die NGO über «angemessene interne Kontrollen» verfügt und transparent über ihre Tätigkeit informiert.

Wie viel vom Spendengeld kommt an?

Für Spender von besonderem Interesse ist natürlich, wie der Umgang mit dem Geld gehandhabt wird. Hier gilt bei der Zewo: Von 100 Franken Spenden dürfen maximal 35 Franken für Administration und Mittelbeschaffung verwendet werden.

«Im Durchschnitt setzen die zertifizierten Hilfswerke 79 von 100 Franken für Projekte ein. 13 Franken benötigen sie für administrative Aufgaben und acht Franken kostet das Spendensammeln», sagt Ziegerer.

Und wie sieht es bei der Glückskette aus? Die wohl bekannteste Spendenorganisation des Landes ist nicht Zewo-zertifiziert. Das liegt nur schon daran, dass die Glückskette kein Hilfswerk ist, sondern eine Stiftung – sie leistet also nicht selber Hilfe in Krisengebieten, sondern gibt die gesammelten Spendengelder an Partnerorganisationen weiter. Ihre Partnerhilfswerke wiederum müssen die Zewo-Standards erfüllen, wie Sprecherin Priska Spörri auf Anfrage von «Bluewin» erklärt.

Grundsätzlich gilt: Die Glückskette gibt von 100 gespendeten Franken auch 100 Franken an die Partnerhilfswerke weiter. Die Betriebskosten würden wenn möglich durch Erträge aus Vermögensanlagen gedeckt. In schwierigen Jahren würden «maximal fünf Prozent der gesammelten Gelder» für die Kostendeckung eingesetzt, heisst es auf der Website.

Die Partner-NGOs vor Ort wiederum dürften maximal zehn Prozent der Mittel für Administrationskosten verwenden. «Im Allgemeinen kommen rund 80 von 100 Franken direkt den Opfern von Katastrophen zugute.»

Greenpeace: «Keine Vorteile» durch Zewo-Zertifikat

Die Zewo ist nicht unumstritten – einige NGOs bemühen sich gar nicht erst um ein Gütesiegel. So wie Greenpeace: «Eine Zewo-Zertifizierung würde uns keine nennenswerten Vorteile bringen», erklärt Greenpeace-Sprecher Yves Zenger auf Anfrage. Denn auch ohne Zertifikat schreibe man Transparenz gross.

Und was den Umgang mit den Spendengeldern angeht, hätte die Umweltschutzgruppe die Zewo-Richtlinien erfüllt: Im Jahr 2018 machten administrativer Aufwand und Fundraising zusammen 23,7 Prozent des Gesamtaufwands aus, wie der Jahresbericht zeigt.



Auch die Engagements von Mitgliedern des Zewo-Stiftungsrates sind eine Erwähnung wert. So sitzt etwa Präsident Kurt Grüter nebenbei auch noch im Vorstand der Caritas Schweiz sowie im Berghilferat der Schweizer Berghilfe, die beide Zewo-zertifiziert sind. Wie lassen sich da Interessenskonflikte vermeiden? Martina Ziegerer antwortet darauf: «Die Stiftungsräte legen relevante Interessenbindungen auf der Website der Zewo offen und treten in den Ausstand, wenn ein Geschäft diese betrifft.»

Auch sähen die Statuten der Zewo eine ausgewogene Zusammensetzung des Stiftungsräte vor. «So beugen wir vor, dass einseitige Interessen überwiegen.» Ausserdem sei aktuell nur einer von neun Stiftungsräten operativ bei einer zertifizierten NPO tätig. Kurt Grüter sei ehrenamtliches Mitglied im Caritas-Vorstand. Und dabei handle es sich zudem nicht um das leitende Organ der Organisation. 

Tipps für das Spenden

Daran, dass die Zewo bei NGOs genau hinschaut, ändern solche Kritikpunkte freilich nichts. So musste die Umweltorganisation Green Cross Schweiz erst im Sommer ihr Zewo-Gütesiegel abgegeben, weil sie nicht mehr alle Auflagen erfüllen konnte. Wer der Zewo also sein Vertrauen schenkt, der findet auf ihrer Website auch einige generelle Tipps für das Spenden:

– Spender sollten lieber wenige, dafür sorgfältig ausgewählte Organisationen unterstützen.

– Die gewählten NGOs sollte man längerfristig unterstützen. Dadurch ermögliche man «nachhaltige und wirksame Hilfe».

– Man sollte sich nie unter Druck setzen lassen und gut über die NGOs informieren, um keinen unseriösen Spendensammlungen auf den Leim zu gehen. Natürlich empfiehlt die Zewo, hierbei auch ihr Gütesiegel zu berücksichtigen.

– Und: Fair spenden. Statt eine Patenschaft für nur ein Kind zu übernehmen, sollte man besser für ein ganzes Dorf, Projekt oder Thema spenden. Davon hätten mehr Menschen einen Nutzen.



Spender sind hierzulande übrigens in bester Gesellschaft: Im Jahr 2018 haben Hilfswerke Zuwendungen von 1,812 Milliarden Franken erhalten, wie Hochrechnungen der Zewo zeigen. Das sei das drittbeste Sammlungsergebnis überhaupt.

Der Rekord sei im Jahr 2017 mit 1,85 Milliarden Franken erreicht worden. Drei von fünf Franken gingen gemäss Jahresbericht an zertifizierte NGOs. Und: Die Hälfte der Spenden stammte von Privatpersonen.

Steuerabzug nicht vergessen

Netter Nebeneffekt: Privatpersonen und Firmen dürfen Spenden an gemeinnützige Organisationen von den Steuern abziehen. Bei Privaten dürfen diese maximal 20 Prozent des Reineinkommens ausmachen, bei Firmen 20 Prozent des Reingewinns. So beschenkt man sich mit seiner Grosszügigkeit auch ein klein wenig selbst. 

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