Energiebilanz Wenn der Lift beim Warten mehr Strom frisst als beim Fahren

Von Gil Bieler

28.12.2022

Fährt das schlechte Energiegewissen mit? Ein Lift am Zürchern Hauptbahnhof wartet auf Fahrgäste. (Archivbild)
Fährt das schlechte Energiegewissen mit? Ein Lift am Zürchern Hauptbahnhof wartet auf Fahrgäste. (Archivbild)
Keystone

Wer den Backofen ausgestellt lässt, spart Strom. Wer die Heizung nicht aufdreht, spart Energie. Und wer die Treppe nimmt anstatt den Lift, spart logischerweise auch – oder? Nun: Das ist etwas komplizierter.

Von Gil Bieler

Ein Bürogebäude in Zürich. Müller und Meier haben es pressant: Beide werden an einer Sitzung im fünften Stock erwartet. Sie begegnen sich zufällig im Erdgeschoss.

Müller drückt den Knopf, um den Lift zu holen. «Geht’s noch?», fragt Meier. «Wir müssen doch Energie sparen. Ich nehm die Treppe.» Sagt es, schon ist er weg.

Müller fühlt sich, wie er auf den Lift wartet, plötzlich faul. Und wie eine Energieschleuder. «Energie ist kostbar. Verschwenden wir sie nicht», der Sparappell des Bundesrats klingt ihm noch in den Ohren nach.

Doch ganz so eindeutig ist die Sachlage nicht. Ein Lift verbraucht nämlich manchmal sogar mehr Strom, wenn er stillsteht, als wenn er fährt.

Viele Faktoren kommen zum Tragen

Das bestätigt der Liftbauer Schindler. «Generell verbraucht ein Aufzug, der eine Stunde stillsteht, weniger Strom als ein Aufzug, der eine Stunde nonstop im Betrieb ist», erklärt Julia Gisin, Mediensprecherin von Schindler, auf Anfrage.

Der Stromverbrauch pro Fahrt hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich vom Lifttyp, aber auch von der Fahrtrichtung und dem zu transportierenden Gewicht – schliesslich arbeiten die meisten Lifte mit einem Gegengewicht. Und dieses hilft beim Hochfahren, wenn das Gegengewicht «herunterfällt».

Laut Energie-Umwelt.ch, einer Informationsplattform der Kantone Bern, Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Waadt und Wallis, sollte die Liftkabine dabei optimalerweise zur Hälfte gefüllt sein. Dies sei «aus energetischer Sicht die Idealsituation», denn «zusammen mit den Personen wiegt die Kabine genau so viel wie das Gegengewicht». 

Hinzu kommt laut Angaben von Schindler eine spezifische Eigenheit der Aufzüge. Moderne Liftantriebe würden bei jeweils der Hälfte der Fahrten Strom generieren und ins lokale Netz zurückspeisen. Dadurch könnten sie laut Unternehmensangaben bis zu 40 Prozent ihres jährlichen Energieverbrauchs einsparen.

Was all das für den Stromverbrauch bedeutet, illustriert die Mediensprecherin anhand eines Beispiels: «Transportiert der Aufzug eine Person aufwärts, produziert er tatsächlich Strom. Fährt dieselbe Person abwärts, wird entsprechend Strom benötigt», erklärt Gisin.

Ein Lift, der beim Fahren weniger Strom verbraucht als beim Warten? Das widerspricht der Intuition des Laien. Doch auch die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt (Empa) bestätigt: Liftfahrt ist nicht gleich Liftfahrt. Empa-Mediensprecher Michael Hagmann beruft sich dabei auf eine Versuchsreihe im NEST – einem Forschungszentrum, in dem neue Technologien und Systeme unter realen Bedingungen getestet werden können. Was auch mit Blick auf den Liftbetrieb gemacht wurde.

Resultat: Im Wartemodus sei ein Verbrauch von 0,14 Kilowatt (kW) gemessen worden, wenn der Lift fahre zwischen – 3kW und 7kW – je nach Richtung und Gewicht. «Wenn man es clever anstellt, kann es also sein, dass eine Fahrt in der Tat effizienter ist als der Stand-by-Modus», so Hagmann.

Der Forscher relativiert aber: «Während einer realistischen Nutzung kommt dies aber nicht vor, wie die realen Nutzungsdaten im NEST ergeben haben.» Werde ein Lift aber sehr selten gebraucht, sei der Energieaufwand für den Stand-by-Modus grösser als jener fürs Fahren.

Energieeffizienz wird weiter verbessert

Im Schnitt verbraucht ein moderner Schindler-Lift in einem Mehrfamilienhaus auf das Jahr gerechnet rund 490 kWh Strom. Das entspreche in etwa dem Jahresverbrauch einer gemeinsam genutzten Waschmaschine. Ausserdem versuche man, die Energieeffizienz laufend zu verbessern.

Treppe oder Lift? Müller ist sich immer noch unsicher. Was aber ganz ohne Zweifel für die erste Variante spricht: Man verbrennt beim Treppensteigen gleich ein paar Kalorien. Wer eine Stufe auf einmal nimmt, verbraucht laut Forschern der Londoner Universität von Roehampton 8,5 Kilokalorien pro Minute. Wer zum Typ «Zwei-Stufen-auf-einmal» zählt, verbrennt sogar 9,2 Kilokalorien. Das berichtet das Magazin «Geo». 

Dieses Argument überzeugt am Ende auch Müller, der noch immer auf den Lift wartet. Schliesslich zwickt die Hose nach der ganzen Völlerei über die Festtage etwas am Bauch.

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