Insiderhandel Stromkonzerne durften mauscheln und der Bund schaute weg

Von Andreas Fischer

16.12.2022

Bundesrat will strengere Vorgaben für systemkritische Stromfirmen

Bundesrat will strengere Vorgaben für systemkritische Stromfirmen

Der Bundesrat will neue gesetzliche Regeln für systemkritische Stromunternehmen. Diese sollen die volkswirtschaftlichen Risiken eingrenzen und die Transparenz erhöhen.

16.12.2022

Der Bundesrat will Stromkonzernen künftig genauer auf die Finger schauen. Marktmanipulation und Insiderhandel sind dann tabu. Wie bitte? War das bislang etwa erlaubt?

Von Andreas Fischer

Mit einem neuen Bundesgesetz will der Bundesrat die Stromkonzerne zu mehr Transparenz zwingen. Sie müssen eine Bundesstelle künftig vermehrt über ihre Geschäftstätigkeit informieren. Darüber hat Simonetta Sommaruga an ihrer mutmasslich letzten Medienkonferenz als Bundesrätin am heutigen Freitag informiert.

Die Transparenzvorgaben sollen neu für alle Unternehmen gelten, nicht nur für jene, die unter den Strom-Rettungschirm schlüpfen wollen. Endlich, freute sich die scheidende Energieministerin, verfüge die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) über ein Frühwarnsystem.

Was Simonetta Sommaruga nicht erwähnte in ihrer Einführung, was aber in der Medienmitteilung ins Auge sticht: Das neue Gesetz enthält ein Verbot von Insiderhandel und Marktmanipulation.

Da stellte sich nicht nur den Journalist*innen an der Medienkonferenz die Frage: Wie bitte? Wenn das Verbot erst jetzt kommt, war dies dann bisher etwa erlaubt?

Ungläubige Journalisten

«Ich verstehe etwas nicht ganz», räumte ein Journalist zum Auftakt der Fragerunde ein. «Es gibt die neuen Informationspflichten für die Unternehmen. Aber dann gibt es auch ein Verbot zum Beispiel der Ausnützung und Weitergabe von Insiderinformationen und ein Verbot von Marktmanipulationen. War das dann heute erlaubt? Durften Unternehmen den Markt manipulieren und Insiderinformationen missbräuchlich verwenden?»

Eine nachvollziehbare Frage.

«Das, was wir im Finanzbereich kennen, kennen wir im Energiebereich in dieser Form bis heute nicht», gibt Sommaruga unumwunden zu – und gibt das Wort weiter.

Auftritt Cornelia Kawann von der Elcom. Sie bestätigt: «Bis dato waren Insiderhandel und Marktmanipulation im Energiebereich erlaubt.» Ihr Lächeln wirkt dabei genauso gequält wie ungläubig. «Es war nicht verboten. Daher gab es keine Sanktionen und andere Möglichkeiten, Handhabe zu bekommen.»

Marktmanipulation ja, Konsequenzen nein

Die Anschlussfrage einer Journalistin liegt quasi auf der Hand: «Haben Sie Hinweise darauf, dass in den vergangenen Monaten Insiderhandel oder Marktmanipulationen eine Rolle spielten?» Zum Beispiel in Zusammenhang mit den Problemen von Alpiq und Axpo …

Aber ja, sagt Frau Kawann. Seit 2015 könne die Elcom die Daten der Schweizer Stromhändler sehen, die ihre Geschäfte mit der EU betreffen. «Wir haben dort gewisse Fälle von Marktmanipulation und Insiderhandel gesehen.» Diese Fälle wurden sogar im Markttransparenzbericht veröffentlicht.

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Das hat doch bestimmt Konsequenzen gehabt für die schummelnden Unternehmen, oder?

«Konsequenzen für die Unternehmen hat es nicht gegeben», räumt Kawann ein. Man habe es bei der Elcom immer so gehandhabt, dass man auf die Unternehmen zugegangen sei und ihnen gesagt habe: «Wir sehen das hier. Aber die Unternehmen wussten, dass wir keine Handhabe hatten.»

Zu aktuellen Fällen seit der Aktivierung des Rettungsschirms könne das Elcom im übrigen noch keine Angaben machen. Dazu müssten erst noch die gerade erst verfügbaren Daten ausgewertet werden. Aber mit dem neuen Gesetz wird sich in Sachen Offenlegung ohnehin alles ändern, ergänzt Simonetta Sommaruga.

Die Schweiz erlaubte, was die EU verboten hat

In der EU wurde ein Verbot von Marktmanipulation und Insiderhandel übrigens schon 2011 beschlossen und trat vier Jahre später in Kraft. Es gilt auch für Schweizer Energieunternehmen, die in Europa Geschäfte machen.

In der EU sind unlautere Methoden also verboten.

Warum ist die Schweiz eigentlich erst jetzt so weit, ist eine Frage, die natürlich gestellt werden muss.

Cornelia Kawann berichtet, dass man in der Schweiz 2015 durchaus ad hoc versucht habe, eine Lösung zu finden, an die Daten zu kommen, die Schweizer Unternehmen zwar an die EU melden müssen, auf die die Behörden hierzulande aber keinen Zugriff haben. Es waren sogar die ersten Paragrafen aufgesetzt, aber «dann sind immer ein paar andere Geschäfte dazwischengekommen. Es war eben nicht so dringlich». Das habe sich erst in den letzten Monaten und durch die «Liquiditätsthemen» geändert.

«Hat man da nicht zu lange die Augen verschlossen in der Politik?», kommt ein Einwand eines Westschweizer Kollegen. Darauf weiss Simonetta Sommaruga nicht wirklich eine Antwort. Ausser, dass es gegen Transparenzvorhaben ziemliche Widerstände in den Unternehmen der Energiebranche gegeben habe.

«Als Journalist soll man ja keine Kommentare abgeben», bemerkt ein Kollege dann noch. «Aber ich bin etwas konsterniert, dass die Schweiz ein Eldorado war, in dem die Unternehmen betrügen konnten.»

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