Covid-GesetzFake News begleiten diesen Abstimmungskampf
uri
18.11.2021
Im Zuge der Abstimmung zum Covid-19-Gesetz kursieren viele Falschmeldungen. Ihre Gefährlichkeit für die Demokratie schätzen Experten jedoch unterschiedlich ein.
uri
18.11.2021, 20:10
uri
Vor der Abstimmung zum Covid-19-Gesetz vom 28. November streuen Gegner Zweifel über deren Rechtmässigkeit. Auf Telegram kursieren laut dem «Tages-Anzeiger» Nachrichten wie: «Das Gesetz wird angenommen, weil seit Jahrzehnten alle Abstimmungen und Wahlen manipuliert sind! Das ganze System ist korrupt und besteht aus Parasiten.» Eine andere Telegram-Nutzerin berichte zudem, ihr Vater habe eine Bekannte bei der Post, die von der Vorgesetzten dazu angewiesen sei, «alle Stimmbriefe zu durchleuchten und alle mit NEIN zu entfernen».
Auch Influencer*innen wie die Deutsche Miriam Hope schalten sich in den Abstimmungskampf ein. In ihrem Beitrag spricht sie im Falle der Annahme des Gesetzes von einer «Machtverschiebung» an den Bundesrat, bei der die Bevölkerung «enteignet» werde, wie «20 Minuten» berichtete.
Ebenfalls würden die Mitglieder des Nein-Komitees «Gesund und frei» nicht vor der Verbreitung von Falschmeldungen zur Impfung zurückschrecken. So behaupte der ehemalige Ökonomieprofessor Martin Janssen in einem Tweet, dass eine Impfung in jeder Altersklasse riskanter sei als eine frühe Behandlung einer Ansteckung. Sein Beitrag wurde daraufhin von Twitter als «irreführend» gekennzeichnet und bekam einen Link zu wissenschaftlich abgestützten Informationen.
Anzeichen für Zunahme von Fake News in der Pandemie
Eine Online-Plattform, die von einem Webdesigner aus der Region Biel registriert wurde, präsentiert sich wegen der angenommenen Gefahr staatlicher Manipulation sogar als Alternative zur behördlichen Auszählung der Stimm- und Wahlzettel, berichtet der «Tags-Anzeiger». Weil man hier Verfälschungen befürchte, sollten die Stimmberechtigten ein Bild ihres «ausgefüllten Stimmzettels und ihrer Identitätskarte sowie ein Selfie» hochladen. Die Betreiber der Website würden dann selbst eine Auszählung der Abstimmungsergebnisse vornehmen.
Es handelt sich dabei lediglich um einige wenige Beispiele. Wie Daniel Vogler, Medienwissenschaftler des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) zu «20 Minuten» sagte, gebe es aber Anzeichen, dass die Fake News während der Pandemie auch in der Schweiz zugenommen hätten. Allerdings hält Vogler es auch für möglich, dass sie lediglich sichtbarer geworden sind.
Unsicherheit befördert «alternative Sichtweisen»
Vogler vermutet, dass das Thema Desinformation in der herrschenden Pandemie an Bedeutung gewonnen hat, weil die Unsicherheit innerhalb der Gesellschaft während Krisenphasen besonders gross ist. Damit wachse die Empfänglichkeit für «alternative Sichtweisen auf die Welt».
Entsprechende Fake News könnten die Entscheidungsbildung durchaus negativ beeinflussen, befürchtet der Medienwissenschaftler. Das wiederum sei «ein Problem für eine funktionierende Demokratie». Gestützt wird diese Sicht durch eine Studie des Fög. Demnach stösst bereits jeder Vierte in der Schweiz häufig auf Falschmeldungen und jede zweite Person erachtet Desinformation als ein grosses Problem.
Für eine gelassene Sichtweise in der Angelegenheit plädiert indes der Politologe Wolf Linder. Er sieht bei den Falschmeldungen nämlich keine Bewegung am Werk, sondern Einzelstimmen, wie er dem «Tages-Anzeiger» erklärte. Auch würden keine Parteien oder bedeutende politische Kräfte die Verlässlichkeit der Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen. In der Schweiz sei der Umgang nach Beschwerden bei knappen Urnengängen zudem zuverlässig institutionell geregelt, sodass keinerlei Anlass für Misstrauen bestehe.
Der Politologe findet deshalb, man solle entsprechenden Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht geben. Allerdings bemerkt auch er: «Ein solches grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem ganzen Staat gab es so in der Schweiz bisher noch nicht.»
Regulierung von Internetplattformen wird geprüft
SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher empfiehlt Nutzern im Netz vor diesem Hintergrund, Nachrichten prinzipiell zu hinterfragen. Auch müsse sich jeder das Prinzip zu eigen machen: «Glaube nicht alles, was im Netz steht», wie sie zu «20 Minuten» sagte. Obendrein fordert sie politische Rahmenbedingungen für eine vertrauenswürdige Medienberichterstattung und entsprechende Massnahmen bei den Algorithmen der Plattformen.
Einen Schritt in diese Richtung hat erst gestern der Bundesrat unternommen: Er hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) damit beauftragt, bis Ende 2022 ein Aussprachepapier auszuarbeiten, wie Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke künftig reguliert werden können. Zuvor hatte das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) mitgeteilt, dass die Bevölkerung einen «Anspruch auf einen effektiven Schutz vor illegaler Hassrede und Desinformation» habe.