Strom-Knappheit Zieht die EU den Stecker definitiv, brauchen wir neue Kraftwerke

Von Tobias Bühlmann

3.6.2021

Sieht so die Schweizer Strom-Zukunft aus? Weil mit dem Rahmen- auch das Stromabkommen der Schweiz mit der EU gescheitert ist, könnten möglicherweise bald neue Gaskraftwerke vonnöten sein.
Sieht so die Schweizer Strom-Zukunft aus? Weil mit dem Rahmen- auch das Stromabkommen der Schweiz mit der EU gescheitert ist, könnten möglicherweise bald neue Gaskraftwerke vonnöten sein.
Bild: Getty/Sean Gallup

Die Schweiz steuert auf eine Stromknappheit zu. Das Scheitern des Rahmenabkommens verschlimmert die Situation weiter. Darum könnten nun Schritte nötig werden, die kaum einem recht zu gefallen vermögen.

Von Tobias Bühlmann

Eine kalte Winternacht mitten im Februar, überall brennt Licht und die Heizungen laufen auf Hochtouren – und plötzlich fällt der Strom aus. Vor diesem Szenario warnt die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom), denn in der Schweiz droht der Strom knapp zu werden. Nicht heute und morgen, aber innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre. Das ist stark verkürzt die Warnung von Werner Luginbühl, der als ElCom-Chef über die Stromversorgung der Schweiz wacht.

Das Problem bei der Versorgungssicherheit mit Strom hat sich vergangene Woche akut verschärft. Denn als der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU für gescheitert erklärte, beerdigte er damit auch das Stromabkommen mit der EU. Dabei war der Vertrag bereits fertig ausgehandelt, nur die Unterschriften fehlten noch.

Das Abkommen mit der EU sollte die Stromimporte in Zukunft sicherstellen. Die Schweiz ist auf die Einfuhr angewiesen, ganz besonders im Winter. Und der Bedarf dürfte noch steigen, wenn 2035 die verbleibenden Schweizer Atomkraftwerke vom Netz gehen.

«Damit werden wir erpressbar»

Die Schweiz werde nach dem Scheitern des Rahmankommens mit der EU zunehmend ausgeschlossen, warnt Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-Nationalrätin aus dem Baselland. Denn die EU sei daran, einen europäischen Strom-Binnenmarkt aufzubauen – mit Handelsplattformen, die die Schweiz selber mitgeschaffen habe. Doch mitmachen dürfen wir dort nun nicht mehr. «Damit werden wir erpressbar, weil uns die Unabhängigkeit fehlt.»

Dabei rechnet der Bundesrat derzeit fest mit Strom-Importen aus der EU, wie Schneider-Schneiter festhält. Doch seit dem Aus für das Rahmenabkommen befinde sich die Schweiz hier in einer neuen Situation. Darum spart die Mitte-Nationalrätin auch nicht mit Kritik an der Regierung: «Unser Bundesrat hat keinen Plan, wie wir eine unabhängige Stromversorgung ohne Energie-Importe sicherstellen können.»

Erschwert wird der Import nicht nur durch das fehlende Strom-Abkommen mit der EU. Deutschland plant in den nächsten Jahren den Atomausstieg, Frankreich will die Zahl seiner AKW reduzieren. Und alle Nachbarländer der Schweiz wollen künftig weniger fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl zu Strom machen, um CO2 einzusparen. Damit schrumpfen auch die Produktionskapazitäten jener Nationen, von denen die Schweiz einfach Strom importieren könnte.

Es braucht neue Kraftwerke … 

Aus Sicht von Schneider-Schneiter kommt die Schweiz nicht um den Bau von neuen Kraftwerken herum, will sie in Zukunft den Strombedarf ohne Importe aus der EU sicherstellen. Auch ElCom-Chef Luginbühl sieht darin die Lösung für das Problem, wie er in Bern vor den Medien sagte. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien allein werde nicht ausreichen, um die AKW und Importe zu ersetzen.

Als Lösung hierzu kommen aus Sicht von Luginbühl und Schneider-Schneiter einzig Gaskraftwerke in Frage, da der Atomausstieg der Schweiz beschlossene Sache ist. Was wiederum die Bemühungen zur Reduktion des CO2-Ausstosses zunichte machen könnte, warnt Schneider-Schneiter. Eine Alternative sieht sie darin, die Restlaufzeit der AKW zu verlängern – aber eigentlich wolle sie weder das noch neue Gaskraftwerke.

… oder neue Schritte in Richtung EU

Weniger dramatisch sieht die Sache der Thurgauer Grünen-Nationalrat Kurt Egger. Er will vor allem auf Sonnenenergie setzen, um die Stromproduktion der Schweiz zu erhöhen. Hier brauche es mehr Anreize zum Bau neuer Anlagen – wozu man mehr Geld in die Hand nehmen müsse. Allerdings sieht auch er, dass die Produktion von Strom im Winter eine Herausforderung ist, da dann die Sonne kürzer und weniger stark scheint. Darum könnte man für diese Zeit beispielsweise auf Biomasse-Anlagen setzen.

Egger gibt aber auch zu bedenken, dass die derzeitigen Prognosen wenig verlässlich seien. Auch gehe er nicht davon aus, dass die Schweiz nun einfach eine Insel bleiben werde in Europa: «Die Frage nach der Zusammenarbeit mit der EU kommt wieder auf den Tisch, das ist ganz klar.»

Welchen Weg die Schweiz letztlich auch beschreiten wird: Will man auf die Atomkraft verzichten und zugleich auch den CO2-Ausstos reduzieren, braucht es mittel- und längerfristig neue Ideen, um den Strombedarf unseres Landes zu decken. Damit es nicht plötzlich dunkel wird in einer kalten Februar-Nacht.