Bald stimmen wir ab Das müssen Sie über den Vaterschaftsurlaub wissen

Von Julia Käser

18.8.2020

Bild: Getty Images

Beim Vaterschaftsurlaub ist die Schweiz das europäische Schlusslicht. Das soll sich am 27. September ändern – zumindest wenn es nach den Befürwortern geht. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorlage. 

Worum geht es?

Der Entscheid des Parlaments von letztem Herbst ist klar: Innert der ersten sechs Monate nach der Geburt eines Kindes sollen Väter insgesamt zwei Wochen bezahlten Urlaub beziehen dürfen. Finanziert werden soll das Ganze über die Erwerbsersatzordnung (EO). Laut Bund ist mit Kosten von jährlich rund 230 Millionen Franken zu rechnen. 

Weil Vertreterinnen und Vertreter der SVP sowie der Jungfreisinnigen ein Referendum gegen diesen Beschluss ergriffen haben, liegt der Ball nun beim Volk. 

Wie viele Tage bekommen die Väter heute frei?

Stand heute gibt es in der Schweiz kein gesetzlich geregeltes Anrecht auf einen Vaterschaftsurlaub. Kommt ein Kind zur Welt, hat der Vater lediglich die Möglichkeit, einen Kurzurlaub im Rahmen der «üblichen freien Tage» zu beziehen. In der Regel erhalten frischgebackene Väter so ein bis zwei Tage Urlaub. Anders die Mütter, die seit 2005 Anspruch auf einen 14-wöchigen Urlaub haben. 

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Wie handhaben das unsere Nachbarländer?

Eindeutig: Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz hinterher. Momentan ist sie das einzige europäische Land ohne bezahlten Vaterschaftsurlaub oder Elternzeit. 

Die Erfahrungen damit scheinen positiv zu sein – das zumindest suggeriert eine Studie von 2018, die die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) in Auftrag gegeben hatte. So hat keiner derjenigen Staaten, die eine Elternzeit oder einen Vaterschaftsurlaub einführten, diese anschliessend wieder abgeschafft. 

Was sagen die Befürworterinnen und Befürworter

Gemäss einer deutschen Studie verbringen Männer, die nach der Geburt eine Elternzeit nehmen, mehr Zeit mit ihren Kindern und packen auch im Haushalt häufiger mit an. Dieser Effekt verpufft nicht kurze Zeit nach der Geburt wieder, sondern dauert jahrelang an. 

Das Fazit der Befürworterseite: Die Zeit zu Hause mit dem Kleinkind beeinflusst das väterliche Rollenbild und fördert eine ausgeglichene Familienentwicklung sowie die Gleichstellung. Der Mann könne zu Hause mehr Verantwortung übernehmen und der Frau falle es gleichzeitig leichter, anschliessend wieder in die Arbeitswelt einzusteigen. Das stärke auch die Wirtschaft. 

Wie lauten die Argumente der Gegnerinnen und Gegner?

Andres sieht das die Gegenseite. Zusätzliche Lohnabgaben gelte es dringendst zu verhindern. Es wäre falsch, wenn die gesamte Bevölkerung Lohnprozente dafür zahlen müsste, damit einige wenige nach der Geburt ihres Kindes zwei Wochen Urlaub erhielten. Weiter solle verhindert werden, dass die bereits verschuldeten Sozialwerke noch mehr belastet werden.

Auch einen Nutzen für die KMU sehen die Gegnerinnen und Gegner nicht – im Gegenteil: Müssten diese künftig nebst all den anderen Kosten auch noch für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub aufkommen, zerstöre das ihre Konkurrenzfähigkeit, so das Argument.

Also schadet der Vaterschaftsurlaub den KMU?

Laut den Gegnerinnen und Gegnern ja. Sie bezeichnen den Urlaub als  «Luxusleistung», die viele Grosskonzerne freiwillig eingeführt hätten – eben, weil sie es sich leisten könnten. Diese mitsamt ihren Kosten nun auf alle und somit auch die KMU abzuwälzen, betrachtet die Gegenseite als falsch. 

Die Befürworterseite hingegen sagt, dass der Vaterschaftsurlaub den KMU zugutekomme. Momentan seien diese gegenüber den Grossunternehmen, die sich schon heute einen bezahlten Vaterschaftsurlaub leisten könnten, benachteiligt. Die Finanzierung durch die EO verteile die Kosten auf alle Erwerbstätigen und Arbeitgeber. Am Ende koste er auf dem Lohnzettel monatlich nicht mehr als eine halbe Tasse Kaffee.

Angenommen die Vorlage wird abgelehnt: Ist das Thema danach vom Tisch?

Der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub ist ein indirekter Gegenvorschlag des Parlaments zu einer Volksinitiative, die vier Wochen Urlaub für Väter verlangt. Diese wurde nach dem Entscheid des Parlaments für zwei Wochen zwar zurückgezogen – jedoch nur unter der Bedingung, dass die Gesetzesgrundlage für einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen auch tatsächlich in Kraft tritt.

Ist das nicht der Fall, ist es gut möglich, dass das Volk zu einem späteren Zeitpunkt über einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub abstimmen muss. 

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