KleidervorschriftenZwist im Aargau: Nur noch in «angemessener» Kleidung zum Unterricht?
tsha
24.9.2020
Kleiderstreit im Aargau: Schulen und Politik diskutieren darüber, ob sich die Lehranstalten in die Kleiderwahl ihrer Schüler einmischen sollen.
Dass sich Kinder nicht immer so kleiden, wie es sich ihre Eltern wünschen, ist nichts Neues. Ebenso alt ist die Erkenntnis, dass Lehrer bisweilen verwundert den Kopf darüber schütteln, wie ihre Schüler zum Unterricht erscheinen. Im Aargau ist aus diesem alten Zwist nun aber ein Politikum geworden.
Denn in einigen Schulen im Aargau erhalten Schüler seit einiger Zeit einen negativen Eintrag in ihrem Zwischenbericht, wenn sie in «unangemessener» Kleidung zum Unterricht erscheinen. Der Zwischenbericht enthält keine Noten, dafür aber eine schriftliche Bewertung.
Bei SP-Grossrätin Lelia Hunziker stösst die Regelung auf Unverständnis. Es sei heikel, dass die Schulen bewerten, «ob Schülerinnen und Schüler passend (sprich anständig) gekleidet sind oder nicht», schrieb Hunziker in einem Kommentar für die «Aargauer Zeitung». Die Zwischenberichte seien für die Schüler wichtig, wenn sie sich in Lehrbetrieben bewerben würden. Ausserdem kritisiert sie, dass sich die Kleidervorschriften vor allem auf Mädchen beziehen würden. Das sehe man an der Formulierung, dass «das Gesäss, die Oberweite und der Bauch» bedeckt sein müssen.
Schwierig sei auch, dass die Frage, was angemessen sei und was nicht, nicht objektiv beurteilt werden könne. «Wann ist der Rock genug lang, um anständig zu sein, wann ist er unanständig kurz? Muss der Bauchnabel im Normalzustand verdeckt sein oder nur, wenn ich mich strecke?», fragt Hunziker.
Was ist angemessen?
Christoph Waldmeier, Werklehrer an der Kreisschule Buchs-Aarau und EVP-Einwohnerrat in Aarau, glaubt die Antwort zu kennen. «Angemessen bezieht sich vorwiegend darauf, dass wirklich die genannten Zonen bedeckt sind und bei den Jungs nicht grad die Unterhosen rausschauen», schreibt er in einem Leserkommentar auf der Seite der «Aargauer Zeitung».
Laut der Zeitung stammt die umstrittene Kleiderregel von der Kreisschule Aarau-Buchs. Schülerinnen und Schüler müssten «für den Unterrichtsanlass passend gekleidet» erscheinen, heisst es dort. Remi Bürgi, Geschäftsleiter der Kreisschule, sagte der «Aargauer Zeitung», die Kleiderregel habe die Zustimmung von Eltern, Schülern, Lehrern und Schulleitung gefunden. Es habe bislang keine negativen Rückmeldungen gegeben.
Weiter sagte er, dass die «Beurteilung der Leistungen in den Fächern sowie der Selbst- und Sozialkompetenz» Aufgabe der Lehrer sei – und somit auch die Frage, welche Kleidung als angemessen gelte. Schülerinnen und Schüler, die sich einen einmaligen modischen Fehltritt leisten, würden nicht sofort abgestraft, so der Geschäftsleiter. «Zuerst suchen die Lehrpersonen das Gespräch mit der fehlbaren Schülerin oder dem Schüler, danach gibt es einen Verwarnungszettel, schliesslich werden die Eltern informiert, und erst im Wiederholungsfall wird dann der Abzug bei der Sozialkompetenz gemacht.»
Wie häufig es «Probleme» mit unangemessener Kleidung bislang gegeben habe, könne er nicht sagen.