US-Munition für KiewDeshalb ist Uranmunition so effektiv — und hochumstritten
AP/toko
10.9.2023 - 19:55
USA liefern erstmals umstrittene Uran-Munition an Ukraine
US-Aussenminister Blinken hat seinem ukrainischen Amtskollegen Kuleba langfristige Unterstützung der USA versprochen. Zur neusten Waffenlieferung im Wert von 175 Millionen Dollar gehört Panzer-Munition, die abgereicherstes Uran enthält.
07.09.2023
Die USA haben der Ukraine Geschosse mit abgereichertem Uran zugesagt. Russland reagiert aufgebracht und warnt vor Krebserkrankungen in der Bevölkerung. Um welche Munition geht es?
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10.09.2023, 19:55
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Die USA haben angekündigt, der Ukraine Uranmunition zu liefern.
Geschosse dieser Art können selbst starke Panzerung durchschlagen und diese in Brand setzen.
Die Geschosse sollen zur Bewaffnung von M1A1-Abrams-Panzern verwendet werden, von denen Washington im Herbst 31 Stück an die Ukraine liefern will.
Die USA wollen der Ukraine uranhaltige Panzerabwehrmunition für den Kampf gegen die russischen Invasionstruppen liefern. Dies hat Aussenminister Anthony Blinken in dieser Woche bei einem Besuch in Kiew angekündigt. Washington folgt damit Grossbritannien, das der Ukraine bereits die Munition mit abgereichertem Uran zur Verfügung stellt.
Worum handelt es sich bei diesen Geschossen? Und warum sind sie so umstritten?
Die USA liefern panzerbrechende Geschosse, die sie während des Kalten Krieges entwickelt haben. Die Entwicklung zielte darauf ab, sowjetische Panzer unschädlich zu machen, darunter solche des Typs T-72, die Russland derzeit auch im Krieg gegen die Ukraine einsetzt. Die Geschosse sollen jetzt zur Bewaffnung von M1A1-Abrams-Panzern verwendet werden, von denen Washington im Herbst 31 Stück an die Ukraine liefern will.
Die Projektile enthalten abgereichertes Uran, ein Metall mit hoher Dichte, das als Abfallprodukt bei der Anreicherung von Uran für den Einsatz in Kraftwerken oder zur Waffenproduktion entsteht. Es ist zwar radioaktiv, jedoch weit weniger als das Ausgangsmaterial. Verwendet wird es zur Erhöhung der Durchschlagskraft panzerbrechender Geschosse und Bomben. Die Geschosse behielten zwar einige radioaktive Eigenschaften, könnten aber keine nukleare Kettenreaktion auslösen, wie das Uran in Kernwaffen, erklärt dazu der Nuklearexperte Edward Geist von der US-Militärforschungsorganisation.
Die Wirkung der Geschosse ergibt sich aus der extrem hohen Dichte des abreicherten Urans. «Es ist so dicht und hat so viel Wucht, dass es die Panzerung einfach durchschlägt – und es erhitzt sie so stark, dass sie Feuer fängt», sagt Geist. Sein Kollege Scott Boston vergleicht Munition mit abgereichertem Uran mit einem «Metallpfeil, der mit einer ausserordentlich hohen Geschwindigkeit abgefeuert wird».
Wie reagiert Russland?
Der russische Präsident Wladimir Putin hat gewarnt, Moskau werde «entsprechend reagieren, da der kollektive Westen beginnt, Waffen mit einer «nuklearen Komponente» einzusetzen». Aussenminister Sergej Lawrow spracht von einem «Schritt zur Beschleunigung der Eskalation».
Die Entscheidung Grossbritanniens, Munition mit abgereichertem Uran zu liefern, quittierte Putin im März mit der Ankündigung, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Im Juli erklärten er und der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, Russland habe bereits einige der Waffen dorthin verschoben.
Die Ankündigung der USA, die Ukraine künftig ebenfalls mit Uranmunition zu unterstützen, nannte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow eine «sehr schlechte Nachricht». Der Einsatz dieser Munition seitens der USA im ehemaligen Jugoslawien habe zu einem «galoppierenden Anstieg» von Krebserkrankungen und anderen Krankheiten geführt, sagte Peskow. Das gleiche werde mit den ukrainischen Gebieten geschehen, in denen die Geschosse verwendet würden. Und die Verantwortung dafür liege vollständig bei den USA.
Was sind die gesundheitlichen Risiken?
Geschosse mit abgereichertem Uran gelten nicht als Kernwaffen, dennoch mahnt die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zur Vorsicht. Der Umgang mit solcher Munition sollte «auf ein Minimum beschränkt werden», heisst es da. Es sollte sichergestellt werden, dass die Bevölkerung keine Projektile in die Hände nehme. Dazu rät die Organisation zu einer möglicherweise nötigen Informationskampagne. «Dies sollte zu jeder Risikobewertung gehören», erklärt die IAEA. «Solche Vorsichtsmassnahmen sollten von Umfang und Anzahl der in einem Gebiet verwendeten Munition abhängen.»
Untersuchungen der US-Streitkräfte zu Auswirkungen von abgereichertem Uran im Golfkrieg zeigten nach Militärangaben bisher kein erhöhtes Risiko für Krebs oder andere Krankheiten bei den Soldaten, die dem Material ausgesetzt waren. Sie würden aber weiter medizinisch überwacht und beobachtet, heisst es.
Dabei sei abgereichertes Uran weniger eine Strahlungsgefahr, sondern eher eine toxische Chemikalie: Partikel in Aerosolen könnten eingeatmet oder verschluckt werden, sie könnten in den Blutkreislauf gelangen und Nierenschäden verursachen. Hohe Konzentrationen in der Niere könnten im Extremfall zu Nierenversagen führen.
Entsprechende Munition sowie mit abgereichertem Uran verstärkte Panzer wurden von den USA im Golfkrieg 1991 ebenso eingesetzt wie im Irak 2003. Auch in Serbien und im Kosovo 1999 kam abgereichertes Uran zum Einsatz.