Opfer verbrannt Abermals gerät Indien durch Vergewaltigungsfälle in den Fokus

phi

6.12.2019

Die Erschiessung von vier mutmasslichen Vergewaltigern durch die Polizei wird in Indien beklatscht, wie Aufnahmen zeigen. Und dann gibt es noch den Fall, in dem Täter ihr Opfer vor dem Gericht anzündeten – es herrscht Entsetzen.

Als im Sommer 2018 548 Experten befragt wurden, welches Land für Frauen am gefährlichsten sei, war Indien der Staat mit den meisten Nennungen. Auf den weiteren Plätzen folgten Afghanistan, Syrien, Somalia und Saudi-Arabien. Sieben Jahre zuvor lag Afghanistan noch vorn – gefolgt vom Kongo, von Pakistan, Indien und Somalia.

Der unrühmliche Aufstieg Indiens an die Spitze dieser Liste kommt nicht von ungefähr: Immer wieder haben zuletzt Berichte über Massenvergewaltigungen auch international für grosses Aufsehen gesorgt.

Nun rücken zwei Fälle das Thema wieder in den Blickpunkt: Der eine zeigt drastisch die Wut auf die Täter in Teilen der Bevölkerung, der andere entsetzt durch das abermalige Leid, das mutmassliche Vergewaltiger einer Frau zugefügt haben.

Verschleppt, vergewaltigt, getötet

Der erste Fall hat sich in der Millionenstadt Hyderabad zugetragen – am 27. November verschwand dort eine junge Frau auf dem Weg zur Arbeit. Die 27-Jährige muss laut Polizeiangaben zuletzt bei einer Mautstation gewesen sein, dort hatte sie ihren Motorroller geparkt. Männer hatten der Frau den Berichten zufolge angeboten, bei der Reparatur ihres Zweirads zu helfen – dabei hatten sie vermutlich selbst die Luft aus den Reifen gelassen.

Wut und Empörung in Indien: In Ahmedabad protestieren Frauen nach dem neuerlichen Vergewaltigungsfall für mehr Sicherheit.
Wut und Empörung in Indien: In Ahmedabad protestieren Frauen nach dem neuerlichen Vergewaltigungsfall für mehr Sicherheit.
Bild: Keystone

Sie sollen die Frau schliesslich verschleppt, vergewaltigt und getötet haben. Anschliessend sollen sie die Leiche zu einer rund 25 Kilometer entfernten Strassenunterführung gebracht und angezündet haben. Einen Tag später wurde die Leiche der Frau entdeckt, und schon am 29. November hat die Polizei vier Männer im Alter zwischen 20 und 24 verhaften können.

Blumen schmücken den Ort, an dem die Leiche der 27-Jährigen verbrannt worden ist.
Blumen schmücken den Ort, an dem die Leiche der 27-Jährigen verbrannt worden ist.
Bild: Keystone

Als die Sache am 30. November öffentlich wurde, ging ein Aufschrei durchs Land. Auch im Parlament – dort wurde der Fall am 2. Dezember thematisiert – sind Wut und Zorn die dominanten Reaktionen gewesen: Laut «Times of India» werden seitdem extreme Forderungen wie Kastration oder auch das Lynchen der mutmasslichen Täter laut. Zwei Tage später beschloss die Regierung des Bundesstaates Telangana dann, die Männer im Schnellverfahren aburteilen zu wollen.

Polizei erschiesst alle vier Verdächtige 

Mohammed Arif, Naveen, Shiva und Chennakeshavulu werden zur Rekonstruktion des Vorfalls am 6. Dezember an den Tatort gebracht. Die vier Männer haben nach Angaben der Polizei vor Ort noch nach Waffen zu greifen und zu fliehen versucht: Alle vier werden aber schliesslich von den Beamten erschossen, wie unter anderem der «Guardian» berichtet.

Die Tötung der mutmasslichen Täter ist landesweit mit grossem Applaus aufgenommen worden. «Vor zehn Tagen ist meine Tochter gestorben», sagt etwa der Vater der ermordeten Tierärztin. «Ich möchte gegenüber Polizei und Regierung meine Dankbarkeit ausdrücken. Die Seele meiner Tochter wird jetzt in Frieden ruhen.»

In Hyderabad, aber auch in Städten wie Mumbai werden Polizisten mit Blumen beschenkt – trotz Verdächtigungen, die Ordnungshüter hätten die Justiz in die eigenen Hände genommen.

Süsses statt Saures: Frauen feiern die Polizei in Ahmedabad.
Süsses statt Saures: Frauen feiern die Polizei in Ahmedabad.
Bild: Key<stone

Kritische Töne kommen dagegen von Organisationen wie der All India Progressive Women’s Association.

Durch die Tötung würde Frauen indirekt bedeutet, dass «wir nicht sicherstellen können, dass die Strassen sicher sind, dass wir Verbrechen gegen Frauen nicht aufklären können, indem wir genug Beweise sammeln, um die Schuld zu belegen, dass wir die Überlebenden einer Vergewaltigung nicht beschützen oder sicherstellen können, dass die Überlebenden vor Gericht ihre Würde behalten können.»

Vergewaltigungsopfer vor Aussage angezündet

Wie recht die Aktivistinnen haben, zeigt ein zweiter Fall aus dem Bundesstaat Pradesh. Eine 23-Jährige war im Bezirk Unnao im Dezember 2018 vergewaltigt worden und hatte erst im März Anzeige erstattet.

Am Donnerstag sollte das Opfer endlich bei der Polizei aussagen, doch so weit kam es nicht. Die Frau wurde von einer Gruppe Männer angehalten, zu der auch der mutmassliche Täter zählte – er war auf Kaution freigekommen.

Das Quintett zog die Frau beiseite, übergoss sie mit Kerosin und setzte sie in Brand.

Alle fünf Männer konnten jedoch anschliessend von der Polizei verhaftet werden. Es scheint unwahrscheinlich, dass das Opfer diesen Angriff überleben wird. «Sie hat Verbrennungen an 90 Prozent ihres Körpers und wird intensiv gepflegt», sagte Dr. Ashutosh Dubey der «Times of India»

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