Angriff in Winterthurer Moschee Angriff in Winterthurer Moschee

SDA

1.10.2018 - 19:14

GERICHTSZEICHNUNG - Am Winterthurer Bezirksgericht müssen sich zehn Sympathisanten der ehemaligen An'Nur-Moschee verantworten. Sie weisen die Schuld von sich.
GERICHTSZEICHNUNG - Am Winterthurer Bezirksgericht müssen sich zehn Sympathisanten der ehemaligen An'Nur-Moschee verantworten. Sie weisen die Schuld von sich.
Source: KEYSTONE/LINDA GRAEDEL

Keine Gewalt gegenüber «Verrätern», keine Drohungen: Die jungen Muslime, die sich im Winterthurer An'Nur-Prozess vor Bezirksgericht verantworten müssen, haben am Montag alle Vorwürfe abgestritten. Auch der Imam und der Vereinspräsident wollen von nichts wissen.

Für die Beschuldigten ist das alles eine grosse Verschwörung. Hier solle ein Zeichen gegen die "bösen Salafisten und Terroristen" gesetzt werden. Die Privatkläger, also die beiden Anzeigeerstatter, die Medien und die Justiz würden dafür gemeinsame Sache machen, sagten gleich mehrere der Beschuldigten in ihrer Befragung.

Vor Gericht stehen diese Woche acht Gläubige der mittlerweile geschlossenen An'Nur-Moschee sowie der damalige Imam - in den Medien als "IS-Pate von Winterthur" bezeichnet - und der Vereinspräsident, der erst wenige Tage vor dem Vorfall Präsident wurde.

Den zehn Männern wird vorgeworfen, im November 2016 zwei junge Nordafrikaner eingesperrt, verprügelt und mit dem Tod bedroht zu haben. Die Beschuldigten seien überzeugt gewesen, dass die beiden "Spitzel" einem Journalisten Film- und Fotoaufnahmen aus dem Inneren der umstrittenen Moschee verkauft hätten.

Die acht jungen Männer waren gemäss Anklage für die Gewalt und die Todesdrohungen zuständig, der Imam und der Vereinspräsident schliesslich für das "Spitzel-Geständnis", das die Opfer im abgeschlossenen Büro hätten vorsprechen mussten.

Einer der "Verräter" wurde dazu gezwungen, eine Zehnernote zu schlucken, weil er "seine Religion für Geld verkauft" habe. Dem anderen "Verräter" gelang es schliesslich irgendwann, von der Toilette aus SMS-Hilferufe an einen Polizisten zu schicken.

Einer der zehn Sympathisanten der mittlerweile geschlossenen An'Nur-Moschee in Winterthur bei seiner Ankunft vor dem Bezirksgericht Winterthur. Ihnen wird vorgeworfen, im November 2016 zwei Gläubige eingesperrt und verprügelt zu haben.
Einer der zehn Sympathisanten der mittlerweile geschlossenen An'Nur-Moschee in Winterthur bei seiner Ankunft vor dem Bezirksgericht Winterthur. Ihnen wird vorgeworfen, im November 2016 zwei Gläubige eingesperrt und verprügelt zu haben.
KEYSTONE/ENNIO LEANZA

«Pure Angst in den Augen»

Eine Polizistin gab zu Protokoll, dass sie in ihrer ganzen Laufbahn noch nie so verängstigte Personen gesehen habe. Die beiden hätten nach dem Angriff die pure Angst in den Augen gehabt. Zudem hatte eines der Opfer eine Beule am Kopf sowie eine Gehirnerschütterung.

Nur einer der Beschuldigten gab am Montag jedoch zu, wütend geworden zu sein. Er räumte ein, den einen Anzeigeerstatter wegen der Handyfotos aus dem Gebetsraum als "Idiot" und "Dummkopf" betitelt und angespuckt zu haben. Gewalt habe es aber keine gegeben, sagte er übereinstimmend mit seinen Glaubensbrüdern.

«Das Opfer schlug sich selber»

Jener Beschuldigte, der für die Beule und die Gehirnerschütterung verantwortlich sein soll, stritt ebenfalls jegliche Gewalt ab. Das angebliche Opfer habe sich wohl selber geschlagen oder auf der Toilette verletzt. Oder die Beule sei schon vorher dagewesen.

Der Imam und der Vereinspräsident wiederum beteuerten, mit den beiden Gläubigen nur das Gespräch gesucht zu haben. Dabei widersprachen sie sich jedoch beim wichtigen Detail, ob die Bürotüre dabei abgeschlossen war oder nicht.

Die Anklage fordert, die zehn Männer mit teilbedingten Freiheitsstrafen in unterschiedlicher Höhe zu bestrafen, unter anderem wegen Freiheitsberaubung, Nötigung, Drohung und Körperverletzung. Jene mit ausländischer Staatsangehörigkeit sollen zudem bis zu zehn Jahre des Landes verwiesen werden.

Alle Männer leben in Winterthur oder einer umliegenden Gemeinde. Ein Landesverweis wäre für jene, denen dies droht, "das Todesurteil", wie sie übereinstimmend sagten. Die Schweiz sei ihre Heimat. Hier wollten sie bleiben und ihre Kinder aufwachsen sehen.

Der Prozess wird am Dienstag mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Danach folgen die Vorträge der zehn Anwälte.

Bilder aus der Schweiz
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