Umstrittenes Projekt in Kitzbühel«Arche Noah» für Super-Reiche nervt und vertreibt Anwohner
uri
10.5.2022
Für all jene, die die Krisen der Zeit in schönsten Umgebung überstehen wollen, soll in den Kitzbüheler Alpen eine Art «Arche Noah» für die Reichen und Schönen entstehen. Nicht alle sind begeistert.
uri
10.05.2022, 00:00
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Das Six-Senses-Resort am Pass Thurn in Mittelsill auf rund 1200 Metern Höhe ist eines der «österreichweit umstrittensten Tourismusprojekte», wie der «Standard» schreibt. Seit rund drei Jahren stehen die hier geplanten Luxus-Chalets im Zentrum der Öffentlichkeit. Nun aber werde das Projekt komplett neu erfunden.
Zu diesem Zweck setzt die Website der Immobilienentwickler von Kitzbüheler Alps auf drastische Bilder mit eindeutiger Botschaft: Umweltverschmutzung, Viren, genmanipulierte Nahrung, soziale Isolation oder ein gigantischer Blackout: Das sind die Probleme, die auf die Menschheit warten. Zum Glück gibt es aber auch eine Lösung: Nicht weniger als eine «autarke Arche Noah» haben die Immobilienentwickler von Kitzbüheler Alps im Sinn.
Wie die Macher des zur Hotelkette «Six Senses» gehörenden Projekts auf ihrer Website erklären, sieht man die «Herausforderung dieser Zeit» als «Auftrag für die Zukunft» an. Man müsse aus dem Mainstream ausbrechen, «alle Prozesse und Strukturen des Lebens überdenken und eine Umwelt schaffen, die Natur und Menschen respektvoll miteinander verbindet», heisst es vollmundig.
Eine Villa kostet 15 Millionen Euro
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, soll am Pass Thurn zwischen den österreichischen Bundesländern Tirol und Salzburg ein Refugium der besonderen Art entstehen. Geplant sind – selbstverständlich weitgehend selbstversorgend – 13 Villen, 33 Apartments, ein Hotel und ein Spa mit 3000 Quadratmeter.
Günstig bekommt man die «individuelle Sicherheit» im «Naturjuwel» freilich nicht. Das Angebot am oberen Ende, eine komplett eingerichtete Villa mit 430 Quadratmeter Wohnfläche, soll laut dem «Spiegel» etwa mit 15 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Nichtsdestotrotz bekommen die Projektentwickler mehr als ein Dutzend Anfragen pro Tag, wie sie dem Nachrichtenmagazin sagten. Auch soll es demnach bereits erste Abschlüsse geben. Unter den Interessenten, die fast alle aus der Schweiz, Österreich und Deutschland kämen, befänden sich erfolgreiche Unternehmer und ehemalige Sportler. Bei der Vergabe bevorzugt würden aber Familien mit Kindern, «die unsere Ideen teilen», zitiert der «Spiegel» die Macher.
«Scientologyhaften Vorauslese für Flachland-Autisten»
Um den Kaufanreiz unter der finanzstarken Klientel zu erhöhen, würden zudem 50 Sieger, die sich vorab per Fragebogen und Zoom-Interviews bewerben müssen, ermittelt. Sie hätten dabei etwa diese Fragen zu beantworten: «Haben Sie das Gefühl, dass sich die Welt verändert?» oder: «Wie wichtig ist Ihnen Sicherheit und Schutz?»
Reibungslos in die Gänge gekommen ist die Luxus-Wohnanlage bislang aber noch nicht. In der Vergangenheit seien «wahnsinnig viele Fehler passiert», zitiert das Nachrichtenmagazin den PR-Beauftragten Anton Santner. Auch jetzt noch wird die Lage des Resorts auf der Website als «im Nationalpark Hohe Tauern» angegeben, was nicht ganz stimmt. Zudem sei Porsche als Sponsor abgesprungen, weshalb der ursprüngliche Plan, dass jeder Käufer einen E-Porsche gratis bekomme, nicht mehr realisierbar sei.
Und obwohl inzwischen alle «Genehmigungen und Bewilligungen» für den Bau vorliegen und auch die Wünsche der Bevölkerung in das Vorhaben einbezogen werden sollten, wie Santner dem österreichischen Portal meinbezirk.at sagte, hagelt es weiterhin Kritik. Der Tiroler Fotograf Lois Hechenblaikner, der schon lange den überhandnehmenden Tourismus in seiner Heimat bemängelt, sprach laut «Spiegel» bereits angesichts des Auswahlprozesses für das Resort von einer «scientologyhaften Vorauslese für Flachland-Autisten».
«Die Herausforderungen dieser Zeit hinter sich lassen»
Ebenfalls zeigt sich Marlene Rainer, derzeit Vorsitzende des Vereins für das Naturschutzgebiet Wasenmoos, und schräg gegenüber der Baustelle wohnhaft, wenig angetan hinsichtlich ihrer «Arche Noah»-Aussichten. Wie sie sagte, kämen immer wieder Helikopter mit Interessenten angeflogen, die jedoch schon wieder nach wenigen Minuten die Baustelle verliessen. Sie könne sich «bis heute nicht erklären», wie die Investoren an die Genehmigungen gelangt seien. Auch ohne Apokalypse sind die Zustände für sie nicht mehr haltbar. «Seit 15 Jahren habe ich hier nur Dreck und Lärm, ich ziehe weg», sagte Rainer.
Trotz Kritik und drohendem Weltende sieht immerhin Projektentwickler und Miteigentümer Michael Staininger rosa in die Zukunft. Das Resort werde dank Solarenergie, Erdwärme und zwei Alpenquellen autark sein und darüber hinaus ein Ort, wo man «den Alltag und die Herausforderungen dieser Zeit hinter sich lassen kann», zitiert ihn der «Spiegel».