Erfolg für die Mutter eines behinderten Knaben: Das Zürcher Obergericht ist zum Schluss gekommen, dass das Spital für den fatalen Sauerstoffmangel bei der Geburt des Kindes verantwortlich war. Es muss der Mutter und ihrem Sohn deshalb 140'000 Franken zahlen.
So hatte sich die Frau die Geburt ihres Kindes nicht vorgestellt: Nachdem die Schwangerschaft völlig normal verlaufen war, begab sich die werdende Mutter im Februar 2004 in ein Zürcher Regionalspital. Um welches es sich handelt, macht das Obergericht nicht publik.
Vorgesehen war eigentlich eine Wassergeburt. Das Baby liess sich jedoch etwas gar viel Zeit, so dass sich die Hebamme dazu entschloss, die Fruchtblase zu öffnen. Das Fruchtwasser floss "in erheblichen Mengen", so dass zuerst die Bettwäsche gewechselt werden musste. Die Frau musste währenddessen neben dem Bett stehenbleiben.
Bei der anschliessenden Untersuchung stellte die Hebamme fest, dass etwas schief gegangen war. Der Kopf des Kindes lag so unglücklich, dass die Nabelschnur eingeklemmt wurde.
Sauerstoffmangel bei der Geburt
Der Knabe kam schliesslich per Notfall-Kaiserschnitt zur Welt. Er musste reanimiert werden und wurde kurz darauf ins Kinderspital Zürich verlegt. Als die Eltern ihren Sohn nach Hause mitnehmen durften, war er bereits bei der IV angemeldet.
Es stellte sich heraus, dass der Knabe eine cerebrale Lähmung erlitt, ausgelöst durch einen Sauerstoff- und Durchblutungsmangel bei der Geburt. So leidet er heute unter anderem an einem gestörten Gleichgewichtssinn und hat Mühe beim Sprechen. Der 13-Jährige geht in eine Schule für Körper- und Mehrfachbehinderte und wird sein Leben lang auf fremde Hilfe angewiesen sein.
Die Mutter verlangte Schadenersatz und Genugtuung vom Spital, was dieses - wenig überraschend - ablehnte. Auch das Bezirksgericht dieser Region teilte die Meinung des Spitals. Es sei nicht bewiesen, dass das Spital Schuld sei an diesem Unglück.
Die Mutter zog den Fall weiter und erhielt nun doch noch Recht, wie aus dem kürzlich publizierten Urteil des Obergerichtes hervorgeht. Dem Sohn muss das Spital 100'000 Franken zahlen. Die Mutter erhält 40'000 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Spital kann es noch ans Bundesgericht weiterziehen.
Position des Kopfes falsch eingeschätzt
Für das Obergericht ist klar, dass die Hebamme die Position des Kopfes falsch eingeschätzt hat. Für eine Amniotomie, wie die Fruchtblasensprengung auch genannt wird, muss der Kopf bereits fix im Becken liegen - ansonsten droht die Gefahr, dass die Nabelschnur zwischen Kopf und Becken durchrutscht und abgeklemmt wird.
Dass dies im vorliegenden Fall passiert sei, zeige ja, dass der Kopf noch nicht weit genug im Becken gewesen sei. Die Hebamme hätte die Fruchtblase somit nicht anritzen dürfen. Sie habe es zudem verpasst, die Herztöne wie vorgeschrieben abzuhören. Sonst hätte sie den Vorfall früher entdeckt.
Für das Obergericht wäre es auch angezeigt gewesen, schneller einen Arzt beizuziehen. Stattdessen machte die Hebamme alleine weiter. Sie habe somit sorgfaltswidrig gehandelt und Vorschriften missachtet.
Kein Geld für Psychotherapie
Keinen Erfolg hatte die Mutter einzig mit ihrer Forderung, dass das Spital ihre Psychotherapie übernehmen solle. Dafür verlangte sie 18'000 Franken. Sie habe unter einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten, die zu Depressionen und Suizidgedanken geführt habe. Sie sei heute noch in Therapie und psychisch instabil.
Neben dem Gesundheitszustand ihres Kindes sei vor allem die nicht vorhandene Kommunikation des Spitals ein Grund für ihre Probleme, argumentierte sie. Das Spital habe sie in den prekärsten Momenten völlig uninformiert gelassen.
Das Obergericht kam jedoch zum Schluss, dass das Spital zumindest bei der Kommunikation keine Fehler gemacht hatte und die Frau die Therapie selbst zahlen muss.
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