MordprozessBeschuldigter spricht nicht mit Gutachter
SDA
8.6.2020 - 12:26
Im Prozess um die Tötung einer 73-jährigen Ärztin im August 2016 in Küsnacht ZH ist am Montag am Bezirksgericht Meilen der psychiatrische Gutachter des mutmasslichen Auftragsmörders befragt worden. Er musste sein Gutachten aufgrund der Akten erstellen.
Ob er den anwesenden Beschuldigten kenne, wurde der Gutachter routinegemäss vom vorsitzenden Richter gefragt. Seine Antwort irritierte: «Ich habe ihn nie gesehen». Der heute 37-Jährige habe nicht mit ihm gesprochen, sagte der Psychiater.
Im Laufe seiner weiteren Ausführungen wurde klar, dass der Beschuldigte nicht nur vor Gericht jegliche Aussage verweigert – er weigerte sich auch, mit dem Psychiater zu sprechen.
Wie der Richter erklärte, hat der Mann einzig in der ersten Einvernahme gesprochen, als er noch nicht Beschuldigter war, sondern als Auskunftsperson galt. Nachdem sich dies geändert hatte, sagte er während der ganzen Untersuchung nichts mehr, was sein gutes Recht ist.
Für das Gutachten hatte sich der Psychiater deshalb auf Akten zu stützen, darunter auch frühere Behandlungsberichte und dergleichen. Er diagnostizierte eine «ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Zügen». Dazu komme eine Suchtmittelproblematik.
Die Rückfallgefahr für schwere Gewaltdelikte in Bereicherungsabsicht sei mittelgradig, für andere Delikte – etwa Diebstähle – sei sie gross, sagte der Experte. Er sah eine ambulante Therapie als angezeigt. Die Störung sei prinzipiell behandelbar, falls die Bereitschaft dazu bestehe. Dies sei zumindest zur Zeit der Begutachtung nicht der Fall gewesen.
Drei Sachverständige
Die Verhandlung geht am Nachmittag weiter. Befragt werden drei medizinische Sachverständige zur Todesursache der 73-Jährigen. Am Dienstag beginnen dann die Plädoyers mit dem Vortrag des Staatsanwalts.
Beschuldigt sind vier Personen, alles Schweizer: Ein 37-jähriger Bauarbeiter soll die Ärztin in deren Villa in Küsnacht getötet haben. Er ist des Mordes und weiterer Delikte angeklagt. Gehandelt haben soll er im Auftrag der Tochter des Opfers. Die heute 46-Jährige soll ihm eine Belohnung von 300'000 Franken versprochen haben. Sie ist der Anstiftung zum Mord angeklagt.
Bei der Tat soll ein heute 31-jähriger Barkeeper mit dabei gewesen sein. Auch er wird des Mordes und weiterer Delikte beschuldigt. Nachdem der schweizerisch-kolumbianische Doppelbürger 2019 auf Geheiss des Bundesgerichts aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, setzte er sich nach Kolumbien ab. Der Vierte, ein heute 29-jähriger Töffmechaniker, wird einiger Nebendelikte beschuldigt.
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