ProzessObergericht Zürich spricht im Fall Brian drei Psychiater frei
leph, sda
11.11.2021 - 18:54
Sie banden den jugendlichen Straftäter Brian 2011 tagelang an sein Bett fest. Drei Psychiater sind vor Gericht trotzdem freigesprochen worden. Warnende Worte vor den angewandten Massnahmen äusserte das Gericht dennoch.
Keystone-SDA, leph, sda
11.11.2021, 18:54
SDA/twei
13 Tage lang ist der junge Straftäter Brian in der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich im Jahr 2011 ans Bett fixiert gewesen. Das Zürcher Obergericht hat am Donnerstag drei Psychiater freigesprochen, die dafür verantwortlich waren. Trotzdem kritisierte der Richter die bei Brian angewandte Massnahme deutlich.
Das Obergericht bestätigte mit den Freisprüchen das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom August 2020. Den Beschuldigten wurde Freiheitsberaubung, respektive Beihilfe dazu vorgeworfen. Obwohl alle drei für nicht schuldig erklärt wurden, kritisierte der vorsitzende Richter deren Massnahme.
Brian habe an der Verhandlung gesagt, ihm sei Unrecht geschehen. «Dem stimmen wir wir zu», sagte der Richter. Eine solche Fixation über eine so lange Dauer müsse mit allen Mitteln verhindert werden – Brian habe dies aber über sich ergehen lassen müssen.
Empfindliche finanzielle Konsequenzen für Brian
Der wegen zahlreicher Delikte bereits mehrfach verurteilte 26-Jährige war an der Urteilseröffnung nicht anwesend, er hat sich laut dem Gericht kurzfristig abgemeldet.
Laut dem Richter wäre es aus heutiger Sicht wohl am besten gewesen, man hätte Brian nach seinem Suizidversuch unter erhöhter Aufsicht weiterhin im Gefängnis behalten. Das Justizsystem habe versagt und durch die Einlieferung des Jugendlichen in die PUK eine eigentlich unlösbare Aufgabe an diese delegiert. Die drei Beschuldigten haben sich jedoch gemäss dem Entscheid des Obergerichts strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen. Trotz aller Kritik stufte es die Fixation letztlich als verhältnismässig ein.
Die Niederlage vor Obergericht hat für Brian – falls der Entscheid rechtskräftig wird – happige finanzielle Konsequenzen: Er müsste unter anderem die Hälfte der Prozessentschädigung der drei beschuldigten Ärzte übernehmen. Die andere Hälfte der insgesamt über 40'000 Franken ginge zulasten der Gerichtskasse. Hinzu kämen die Kosten für den Entscheid sowie weitere Kosten.
Verfahren dauerte viel zu lange
In einem Nebenpunkt erhielt Brian jedoch Recht: die lange Verfahrensdauer – der Vorfall liegt bereits mehr als 10 Jahre zurück – sei ein Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot.
Der damals 16-jährige Brian kam im September 2011 in die PUK, nachdem er in der Nacht zuvor im Gefängnis versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Er hatte unter anderem eine Akne-Lösung und Shampoo getrunken und einen Abschiedsbrief verfasst.
Die Ärzte rechtfertigten ihr Vorgehen damit, dass es keine Alternative zur Fixation von Brian gegeben habe. Er habe nicht nur sich selber, sondern auch andere gefährdet.
Beim ersten Aufenthalt randaliert
Bei einem früheren Aufenthalt in der PUK hatte er massiv auf die Türe eines Isolierzimmers eingeschlagen. Hätte sich die Tür verkantet, hätte sie sich laut den Ärzten nicht mehr rasch öffnen lassen, falls dies nötig geworden wäre.
Brians Anwalt argumentierte bei der Verhandlung im Oktober unter anderem mit bestehenden Richtlinien zur angewandten Sieben-Punkte-Fixierung. Eine solche Fixation dürfe höchstens einige Stunden, aber sicher nicht 13 Tage dauern.
Zudem hätten mit zunehmender Dauer der Massnahme umso intensiver Lockerungen ins Auge gefasst werden müssen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.