Suche nach Opfern und Ursachen Brücke in Genua unterlag besonderen EU-Sicherheitsauflagen

DPA

16.8.2018

Im Wettlauf gegen die Zeit graben Retter in Genua weiter nach Vermissten - wohl vergeblich. Die Regierung sucht die Verantwortung beim Autobahnbetreiber. Brüssel spricht eine andere Sprache.

Auch mehr als 50 Stunden nach dem Brückeneinsturz mit Dutzenden Toten haben Bergungskräfte am Donnerstag in Genua noch nach weiteren Opfern unter den Trümmern gesucht. «Es könnte noch 10 bis 20 vermisste Personen geben», sagte der leitende Staatsanwalt Francesco Cozzi laut Nachrichtenagentur Ansa am Donnerstag in der italienischen Hafenstadt. Angesichts der verstrichenen Zeit sei es «wenig wahrscheinlich, Überlebende zu finden», zitierte Ansa den Regionalpräsidenten Giovanni Toti.

Mit Baggern und Kränen werden Trümmerteile einer teilweise eingestürzten Brücke weggeräumt.
Mit Baggern und Kränen werden Trümmerteile einer teilweise eingestürzten Brücke weggeräumt.
Keystone

Während eines Unwetters war am Dienstag ein Abschnitt des viel befahrenen Polcevera-Viadukts eingestürzt und hatte viele Fahrzeuge in die Tiefe gerissen. Die Angaben zur Länge des eingebrochenen Stücks variierten zwischen 100 und 250 Metern. Am Donnerstag verlautete aus verlässlicher Quelle, dass es sich um eine Länge von rund 180 Metern handelte.

Brücke unterlag Prüf- und Sicherheitsauflagen der EU

Die Präfektur korrigierte laut Ansa am Donnerstag die Zahl der offiziell bestätigten Toten auf 38. Für sie soll es am Samstag ein Begräbnis geben und dann auch eine Staatstrauer gelten. Unter den Opfern sind mindestens drei Minderjährige im Alter von 8, 12 und 13 Jahren. 15 Menschen sind der Präfektur zufolge verletzt, 9 von ihnen befinden sich noch immer in einem kritischen Zustand.

Unterdessen verschärfte die Regierung ihre Vorwürfe gegen den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia zu. Sie sieht die Verantwortung für die Katastrophe bei dem Unternehmen und will ihm die Lizenz für die Strasse entziehen.

Die EU-Kommission stellte am Donnerstag klar, die Morandi-Brücke war Teil eines europäischen Fernstrassennetzes und unterlag deshalb besonderen Prüf- und Sicherheitsauflagen der EU. Verantwortlich für die Umsetzung seien die italienischen Behörden.

Die Kommission wies abermals Aussagen des italienischen Innenministers Matteo Salvini zurück, wonach Brüsseler Sparvorgaben für die marode Infrastruktur des Landes mitverantwortlich sein könnten. EU-Staaten könnten politische Prioritäten im Rahmen der geltenden Haushaltsregeln selbst festlegen, wiederholte der Sprecher.

Hunderte Menschen sind Obdachlos

Der Autobahnbetreiber teilte am Donnerstag mit, er hab zwischen 2012 und 2017 mehr als eine Milliarde Euro jährlich in die Sicherheit und Instandhaltung investiert. Die Staatsanwaltschaft geht allerdings davon aus, dass die Katastrophe kein zufälliges Unglück war.

Der mehr als 40 Meter hohe Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke genannt wird, spannt sich unter anderem über Wohnhäuser, Gleisanlagen und Fabriken und ist seit langem umstritten. Die Brücke ist Teil der Autobahn 10 und verbindet den Osten mit dem Westen der Stadt. Sie ist als Urlaubsroute «Autostrada dei Fiori» bekannt und eine wichtige Fernstrasse nach Südfrankreich, in den Piemont und die Lombardei.

Die Tragödie hat Hunderte Menschen obdachlos gemacht: Sie mussten ihre Häuser nahe der Brücke aus Sicherheitsgründen verlassen. Regionalpräsident Toti erklärte laut Ansa am Donnerstag, dass die Häuser nicht wieder bewohnt werden können. In den nächsten Tagen sollen Häuser für die Betroffenen zur Verfügung gestellt werden.

Die Regierung hatte am Mittwoch den Notstand für die Hafenstadt verhängt und fünf Millionen Euro Nothilfe bereit gestellt. Das Dekret soll ermöglichen, erste wichtige Massnahmen in Gang zu setzen, um dem Ausnahmezustand zu begegnen. Der Notstand soll zwölf Monate gelten und in diesem Zuge auch ein Sonderbeauftragter für den Wiederaufbau benannt werden.

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