Grossbritannien Charles der Letzte? Auf den neuen König warten viele Probleme

SDA

7.5.2023 - 11:49

Einige Experten glauben, dass der 74-Jährige - auch wegen seines Alters - nur ein Übergangskönig sein werde. Foto: Phil Noble/Pool Reuters/AP/dpa
Einige Experten glauben, dass der 74-Jährige - auch wegen seines Alters - nur ein Übergangskönig sein werde. Foto: Phil Noble/Pool Reuters/AP/dpa
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Es sind Bilder für die Ewigkeit, die da in London entstanden sind. Das gekrönte Königspaar, die jubelnden Massen vor dem Palast und natürlich der ganze Glanz der Monarchie. Die polierten Kutschen und Uniformen, die prächtigen Kostüme, juwelenbesetzte Kronen und diamantene Schwerter. «König der Welt» titelt das Boulevardblatt «Sunday Mail» am Sonntag überschwänglich zu einem Grossporträt des Staatsoberhaupts.

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Mit etlichen Sonderseiten würdigen die britischen Zeitungen das historische Ereignis. Konservative Kommentatoren verbreiten eine «Wir sind wieder wer»-Stimmung, von der sich auch Premierminister Rishi Sunak mitnehmen lässt. «Kein anderes Land könnte ein so schillerndes Schauspiel bieten – die Prozessionen, der Prunk, die Zeremonien und Strassenfeste», sagte Sunak salbungsvoll. Der konservative Politiker dürfte sich wohl auch freuen, dass die schallende Wahl-Schlappe seiner Konservativen bei den Lokalwahlen am Donnerstag von der Krönung locker in den Schatten gestellt wird.

Drei Tage feiert das Königreich die Monarchie, einmalig gibt es einen Feiertag an diesem Montag. Doch hinter den TV-Dauersendungen – bei denen die Kommentatoren sich allzu häufig als oberste Royals-Fans zeigen – und dem Glanz wird klar: Es ist ein kleiner Ausschnitt der Gefühlslage. Immer mehr Untertanen zeigen sich gleichgültig. Nur ein Beispiel: Auf einem Dinner im Londoner Bankenviertel erheben sich die Gäste für einen Toast an den König. Kaum sitzen alle wieder, sagt eine Anwältin: «Die Krönung ist mir ganz egal. Aber danke für den Feiertag, Charlie.» Die Royals als Folklore.

Gesellschaft: Im grauen Alltag vieler Menschen im Land ist wenig Platz für Traditionen, die zwar die Augen der Welt auf dem Land ruhen lassen, die aber ihr Leben nicht verbessern. Millionen leiden unter steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel. Dass zu so einer Zeit eine Viertelmilliarde Pfund in eine anachronistisch anmutende Zeremonie gesteckt wird, leuchtet vielen nicht ein. Gut die Hälfte betonte in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov, die Regierung solle nicht für das pompöse Spektakel zahlen.

Knapp ein Drittel sprach sich jüngst für ein Referendum über die Staatsform aus. Klingt nicht nach viel, aber sind fast zehn Punkte mehr als zu Zeiten von Charles' Mutter Queen Elizabeth II. In Liverpool pfiffen Fussballfans die britische Hymne aus, deren Einspielung die Premier League zu Ehren der Krönung «stark empfohlen» hatte.

Neu ist, dass die Gegner der Monarchie an Sichtbarkeit gewinnen. Am Rande der Prozession zeigten sich Hunderte Demonstranten mit gelben «Nicht mein König»-Flaggen – unter Elizabeth nicht vorstellbar. Dass die Polizei mehrere Aktivisten festnahm und stundenlang festhielt, sorgte für heftige Kritik und dürfte dem Lager der Royals-Gegner noch Zulauf verschaffen.

Wird der König dereinst als «Charles der Letzte» bekannt, wie die Aktivistengruppe Led by Donkeys in einem Clip nahelegte? Viele verwiesen als Beleg für die Abgehobenheit des Königshauses darauf, dass während des Gottesdiensts die Bevölkerung zu einem öffentlichen Treueschwur aufgerufen werden sollte. Kurzfristig wurde der «Aufruf» in eine «Einladung» abgeändert.

Dabei kommt Charles durchaus an, wie sich bei seinem Bad in der Menge am Vorabend der Krönung erkennen liess. Der König wirkte volksnah, lachte. Einst als schrulliger Umweltfanatiker verlacht, hat er sich längst mit seinen Herzensthemen Natur, Nachhaltigkeit und Diversität behauptet. Die Affäre mit seiner heutigen Ehefrau Camilla während der Ehe mit der beliebten Prinzessin Diana haben ihm viele verziehen.

Dennoch landet Charles bei Royals-Umfragen regelmässig im Mittelfeld. Deutlich beliebter sind Schwiegertochter Prinzessin Kate sowie Sohn und Thronfolger Prinz William. Einige Experten glauben, dass der 74-Jährige – auch wegen seines Alters – nur ein Übergangskönig sein werde und dann Platz mache für Sohn William. Doch sind Abdankungen äusserst selten, und Charles hatte kurz nach Amtsantritt geschworen, dem Vorbild seiner Mutter zum lebenslangen Dienst folgen zu wollen.

Familie: Persönlich ist das wohl die grösste Baustelle für den König. Zwar reiste sein jüngerer Sohn Prinz Harry zur Krönung aus den USA an. Aber die Umstände des Blitzbesuchs zeigen auch, wie schwer Harrys Konflikt mit der Royal Family zu lösen sein wird. Bei der Zeremonie war der Eindruck kaum zu verhindern, dass das Protokoll den Fünften der Thronfolge verbannt hat: ein Sitz in der dritten Reihe neben kaum bekannten Familienmitgliedern, oft von einer grossen Hutfeder von Charles' Schwester Prinzessin Anne verdeckt, kein Platz beim traditionellen Gruss der Royal Family vom Balkon-Palast.

Für den König ist es ein schwieriger Spagat. Einerseits will er versöhnen und Harry sowie Ehefrau Herzogin Meghan Brücken bauen. Andererseits kann er deren Attacken auf Königin Camilla nicht zulassen. Als Reaktion warf er Harry aus dem Frogmore Cottage auf Schloss Windsor, das der Prinz bei Besuchen in der Heimat nutzte.

Commonwealth: In der Krönungsprozession marschierten auch Vertreter der 56 Länder des Commonwealth. Charles betont stets, wie sehr ihm dieser Staatenbund ehemaliger Kolonien am Herzen liegt, zumal er nicht nur König von Grossbritannien und Nordirland, sondern auch Staatsoberhaupt von 14 weiteren Ländern ist.

Die Frage ist allerdings: Wie lange noch? Denn die Stimmung kippt vielerorts. In sechs Ländern sprach sich jüngst in einer Umfrage eine Mehrheit dafür aus, die Monarchie abzuschaffen. Mit Kanada und Australien waren auch zwei Schwergewichte dabei. Vor allem in der Karibik werden Forderungen immer lauter, die Royals sollten sich für die Verwicklung des Königshauses in den historischen Sklavenhandel entschuldigen. Charles fand zwar einfühlsame Worte, ein Pardon aber lehnt er ab.