Zweimal Vater und Mutter verloren Zweimal Vater und Mutter verloren: Das traurige Leben des Todesschützen von Florida

Von Michael Donhauser, dpa

16.2.2018

Als Baby wurde er adoptiert, die Adoptiveltern starben. Nikolas Cruz hatte keine guten Startbedingungen. Nachbarn beschrieben ihn als einen jungen Mann, der den Ärger anzog. Die Schüsse von Parkland waren der schlimme Höhepunkt eines schwierigen jungen Lebens.

Am Ende griff Nikolas Cruz zum Gewehr und schoss. 17 Tote lautet die Bilanz am Valentinstag 2018. Mindestens 14 Verletzte. Dem Verbrechen des 19-Jährigen Mannes aus dem Südwesten Floridas gingen Jahre voraus, in denen er selbst sich als Opfer fühlte - und das in mancher Hinsicht vielleicht auch war. Das Leben, so scheint es, hat ihn geradezu zu einem Paradebeispiel gemacht für junge Leute, die zu Tätern werden können. Und er wollte oder konnte sich nicht wehren.

Als Baby von einem Ehepaar in der Nähe von Parkland adoptiert, starb der Vater, als Nicolas sechs Jahre alt war, an einem Herzinfarkt. Die Adoptivmutter soll fortan die einzige Person im Leben des Jungen gewesen sein, zu der er ein stabiles Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte. Im Herbst vergangenen Jahres starb auch sie. Ohne jede Vorwarnung, an einer Lungenentzündung in Folge einer Grippe.

Ein Leben als kleiner Tyrann

Die Informationen über den jungen Mann, der zum Todesschützen wurde, tröpfeln nur langsam, die lokalen Medien in Florida holen sich vieles von Nachbarn und Freunden, wenig geben auch die Behörden preis. Eine Frau berichtete der Zeitung «Sun Sentinel», bei Nicolas sei schon als Kind Autismus diagnostiziert worden. Die alleinerziehende Mutter habe es manchmal schwer mit ihm gehabt.

Die «Washington Post» fand heraus, dass der junge Mann ein Leben als kleiner Tyrann geführt haben soll. Cruz habe seinen Hund abgerichtet, so dass er die Meerschweinchen der Nachbarn totbeisst, mit dem Luftgewehr habe er Eichhörnchen und Hühner im Nachbarsgarten erlegt. Die Polizei sei ein ständiger Gast in dem schmucken Haus in der geschniegelten Siedlung mit kurzgeschnittenem Rasen und Palmen in den gepflegten Gärten gewesen. Die Nachbarn sagten der «Washington Post» sie seien erleichtert gewesen, als die Familie ihr Haus verkaufte und auszog.

An der Schule galt er Mitschülern zufolge als schwieriger Einzelgänger, ohne Anschluss bei Freunden - und als Waffennarr. Auf sozialen Netzwerken habe er gerne Bilder von Messer oder Pistolen gepostet. Bis vor kurzem, so berichteten Schüler in US-Sendern, sei noch gewitzelt worden: «Wenn hier einer mal Amok läuft, dann ist es wahrscheinlich Nicolas Cruz.»

«Sehr, sehr verstörendes Online-Profil»

Die Polizei sprach von einem «sehr, sehr verstörenden Online-Profil.» Offenbar hatte der junge Mann Gewaltfantasien ins Netz gestellt. Das FBI war vor einigen Monaten einer Spur nachgegangen, die aber im Sande verlief. Damals hatte ein Nutzer unter dem Namen «Nikolas Cruz» auf Youtube einen Kommentar veröffentlicht und erklärt: «Ich werde ein professioneller Schul-Schütze sein.» Dass er sich einer rechtsradikalen Gruppe namens «Republic of Florida» angeschlossen haben soll, blieb zunächst unbestätigt.

Ein Lehrer sagt, er sei bereits als gefährlich eingestuft gewesen, bevor er im vergangenen Jahr von der Schule verwiesen wurde. Es soll zu Schlägereien mit dem «Neuen» der Ex-Freundin gekommen sein. Die vergangenen Monate besuchte er nach Angaben des Anwalts der Pflegefamilie eine therapeutische Einrichtung für Erwachsene, sein Pflegevater besorgte ihm einen Nebenjob in einem Ein-Dollar-Laden. Angeblich soll er sich der rechtsradikalen Miliz «Republic of Florida» angeschlossen haben.

Seit dem Tod der Mutter wohnte Nicolas bei den Eltern eines Mitschülers, weil er nicht bei Freunden der Mutter bleiben wollte. Die wussten, dass er eine halbautomatische Waffe zu Hause hatte und baten ihn, sie unter Verschluss zu halten. Dem kam er nach, behielt aber den Schlüssel, wie der Anwalt der Gastfamilie dem «Sun Sentinel» erklärte. «Sie haben das nicht kommen sehen», sagte der Anwalt über die Familie.

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