Anak Krakatau Die Angst bleibt – Indonesien droht nach Tsunami weiter Gefahr

von Ismira Lutfia Tisnadibrata und Ivonne Marschall, dpa

26.12.2018

430 Tote, viele Hundert Verletzte: Ein Tsunami richtet vor den Weihnachtsfeiertagen in Indonesien schwere Schäden an – und es bleibt gefährlich: Eruptionen könnten weitere Flutwellen verursachen.

Oft blicken die Helfer über ihre Schultern hinaus aufs Meer. Dort, in der Sundastrasse zwischen den indonesischen Inseln Java und Sumatra liegt der Anak Krakatau. «Kind des Krakatau» heisst der Vulkan in der Landessprache - er ist verantwortlich für den Tsunami, der die Küstengebiete auf beiden Seiten der Meeresstrasse verwüstet hat.

430 Menschen starben neuesten Zählungen zufolge, sagt der Sprecher der indonesischen Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Purwo Nugroho am Mittwoch. 1500 wurden verletzt, nach 159 werde noch gesucht.

Heftiger Regen prasselt auf die Trümmer der zerstörten Häuser. Der Tsunami hatte am Samstag alles mit sich gerissen, was ihm im Weg stand und weit landeinwärts getragen. Umgestürzte Palmen, Treibholz und Dreck liegen an den Sandstränden, wo noch vor wenigen Tagen Urlauber ins lange Wochenende hineinfeierten.

Der Vulkan Anak Krakatau ist in der Sunda-Meerenge ausgebrochen. Eruptionen könnten zu weiteren Flutwellen führen.
Der Vulkan Anak Krakatau ist in der Sunda-Meerenge ausgebrochen. Eruptionen könnten zu weiteren Flutwellen führen.
Nurul Hidayat/Bisnis Indonesia/AP/dpa

Der Regen behindert die Rettungsarbeiten. «Viele Menschen, die wir in den entlegenen Ansiedlungen angetroffen haben, hatten bislang keinerlei medizinische Behandlung erhalten», sagt Dina Afriyanti, die als Hebamme für Ärzte ohne Grenzen in der Küstenstadt Labuan arbeitet. Die Organisation versorgt auch mit einem mobilen Team Verletzte, die sich zu Fuss in höher gelegene Bereiche gerettet haben.

Auf der Insel Sebesi harrten Bewohner drei Tage lang in den Hügeln aus, bevor Helfer sie aufs Festland bringen konnten, erzählt Hajawi dem Sender TV One. «Als die erste Welle kam, sagte ich meiner Frau und Kindern, sie müssen auf den Hügel laufen.» Wie viele Indonesier hat er nur einen Namen.

Eigentlich sollten die Aufräum- und Rettungsarbeiten mit Hochdruck vorangehen, doch vom Anak Krakatau geht noch immer Gefahr aus. Der Vulkan etwa 50 Kilometer vor der Küste war am Samstag ausgebrochen. Die Eruption verursachte einen Erdrutsch, der dann wiederum den Tsunami auslöste. Der Anak Krakatau selbst wächst seit Jahrzehnten aus den Überresten einer bei der verheerenden Explosion des Krakatau 1882 fast vollständig zerstörten Vulkaninsel aus dem Meer.

Indonesiens Behörde für Klimatologie und Geophysik (BMKG) warnte am Mittwoch die Bevölkerung, sich von Küstengebieten fernzuhalten. Heftiger Regen und hoher Wellengang erhöhen das Risiko für die Bewohner weiter. «Meiden Sie Küstengebiete von 500 Meter bis einen Kilometer landeinwärts», so BMKG-Chefin Dwikorita Karnawati.

Er möchte nicht nach Hause, sagt Aan der in einer Notunterkunft Zuflucht gefunden. Er habe Angst for einem neuen Tsunami. «Wir haben nur die Kleider, die wir am Leib tragen», sagt er der «Jakarta Post».

Der Tsunami schwappte auf einer Küstenlänge von mehr als 310 Kilometern bis zu 500 Meter landeinwärts. Am schlimmsten betroffen ist der Bezirk Pandeglang, der vor allem bei einheimischen Touristen beliebt ist. «Wegen des langen Wochenendes waren viele Urlauber dort», sagt Nugroho. 

Helfer arbeiten rund um die Uhr

Im Krankenhaus in Pandeglang arbeiten Ärzte und Pflegepersonal rund um die Uhr. Sie versorgen Verletzte und versuchen die 84 Leichen zu identifizieren, die in das Hospital gebracht wurden, schrieb die Zeitung «Jakarta Post». Kastro und seine Frau sind auf der Suche nach der Leiche seiner Schwester und ihrer kleinen Tochter. «Sie hatte ein Mal auf der Hüfte», erklärt er einem Polizeibeamten.

Der Schwager und die anderen Kinder seien in einem anderen Krankenhaus. Er wolle die Leichen seiner Familienmitglieder mitnehmen, aber das Krankenhaus gebe den Leichnam der Nichte nicht heraus. «Ich verstehe es nicht, ich möchte sie doch nur nach Hause bringen (...), dann beten und sie begraben», sagt Kastro.

Die Katastrophe weckt Erinnerungen an den verheerenden Tsunami, der am 26. Dezember 2004 Indonesien und andere Teile Südostasiens heimsuchte. Damals starben allein in der indonesischen Provinz Aceh mehr als 200 000 Menschen.

Trotz der Toten und Trümmer kommen auch gute Nachrichten aus dem Katastrophengebiet. Indonesien feiert Bilder von Umweltschützern, die vom Tsunami an Land geschwemmte Schildkröten wieder ins Meer brachten. Die Wellen hatten die extrem seltenen Echten Karettschildkröten in die Büsche hinter dem Tanjung Lesung-Strand geschwemmt. Bei der Suche nach Opfern fanden Helfer die Tiere. In Tragetüchern und mit blossen Händen trugen sie die Schildkröten ins Wasser zurück.

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