Gegen Jugendwahn und StereotypeDie erste Plus-Size-Boyband aus China
AP/toko
2.5.2021
Sie sind mollig und stolz darauf: In China begeistert fünf Musiker als «XXL»-Boygroup Produce Pandas das Publikum. Im Netz bleibt aber auch der unvermeidliche Spott nicht aus.
02.05.2021, 19:30
03.05.2021, 09:05
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Die fünf beleibten jungen Männer in ihren weiten schwarzen Sweatshirts tätscheln im Übungsraum ihre Bäuche und wedeln mit den Armen. «Hu-Ha!», rufen sie im Chor zu fröhlicher afrikanischer Trommelmusik. Es ist die Choreografie für ihren neuen Song, dessen Titel übersetzt etwa «Gute Plauze» lautet. Die Musiker Ding, Cass, Husky, Otter und Mr. 17 von der chinesischen Band Produce Pandas wiegen im Durchschnitt 100 Kilo und nennen sich stolz «die erste Plus-Size-Boyband in China».
Bärtige Burschen mit Doppelkinn
Die fünf bärtigen Burschen mit Doppelkinn wenden sich damit radikal ab von einem industriellen Standard, wie ihn etwa südkoreanische Boygroups wie BTS repräsentieren. Deren schlaksige Mitglieder werden in China manchmal als «kleines Frischfleisch» bezeichnet. Für Produce Pandas scheint das Konzept aufzugehen. Die Band wurde durch eine Castingshow von iQiyi bekannt, einer der grössten Videoplattformen in China.
«Wir fünf haben vielleicht nicht das Standard-Aussehen und die Standard-Figuren einer Boyband, aber wir hoffen, mit der Bezeichnung ‹Plus-Size-Band› das ästhetische Stereotyp zu durchbrechen», erklärt Cass in einem Interview. Die Bandmitglieder, von denen zwei früher in Bars auftraten, fallen in der von Jugendwahn geprägten Industrie auch durch ihr relativ fortgeschrittenes Alter auf. Die meisten ihrer Konkurrenten in der Talentshow hatten schon als Jugendliche mit einem speziellen Training nach südkoreanischem Vorbild angefangen.
Dennoch waren es die Auftritte von Produce Pandas, die das Publikum begeisterten und eine Debatte darüber auslösten, wie ein Pop-Idol aussehen sollte. Doch es gab auch Gegenwind im Internet. Nutzer des chinesischen Mikroblogging-Diensts Weibo spotteten bitter über den Tanzstil der fünf und verglichen ihn mit einem Horrorfilm.
Mr. 17, Haupttänzer der Band, war mit 31 Jahren der älteste Teilnehmer der Show. Entdeckt worden war er auf dem Videoportal Douyin, der chinesischen Version von TikTok, wo er Clips von sich beim Tanzen im Schlafanzug oder mit einer Schüssel Reis in der Hand gepostet hatte. Sein Künstlername bezieht sich auf sein Lieblingsalter von 17. Er fühle sich nicht alt, sagt der ehemalige Mitarbeiter eines Mineralölkonzerns. Nach den Proben sei er aber ziemlich erschöpft gewesen, gibt er zu.
Die fünf Musiker wurden aus mehr als 300 Bewerbern vom Label DMDF Entertainment ausgewählt, das eine Band aus rundlichen und zugleich sympathischen und mitreissenden Mitgliedern zusammenstellen wollte. Husky, der früher in der IT-Branche arbeitete, dachte, er würde perfekt passen, wie er sagt. Er sei schon seit der Grundschule mollig und habe mehrmals vergeblich versucht abzunehmen. «Oft trainiere ich einen Tag und ruhe mich dann die nächsten drei Tage aus, sodass ich im Ergebnis natürlich stattdessen zunehme.» Jetzt gehe es darum, «fit zu bleiben und nicht abzunehmen».
«Uns macht es nichts aus, Unmengen zu essen»
Auch Cass freut sich über den Vorteil, sich als Mitglied von Produce Pandas beim Essen nicht zurückhalten zu müssen. «Uns macht es nichts aus, Unmengen zu essen», erklärt er. «Mir tun die ‹Frischfleisch›-Bands leid, deren Mitglieder Diät halten müssen, um dünn zu bleiben. Ich fühle mich grossartig, wenn sie uns neidisch dabei zuschauen, wie wir reinhauen!»
Band-Frontmann Ding hat seinen Job als Plus-Size-Model aufgegeben, als er von dem Casting für eine «XXL»-Boyband erfuhr. Er habe sich gesagt: «Näher komme ich nicht an die Chance heran, es auf die Titelseite eines Magazins zu schaffen», erzählt er.
Aktuell arbeiten die Musiker an einem neuen Album. In einem der Songs singen sie übersetzt: «Sattele das Pferd und verwirkliche Deine Träume. Verschwende nicht Deine Zeit.»
Sänger Otter, der seit seiner Kindheit von der südkoreanischen Boyband Super Junior schwärmt, hat nach eigenen Worten nie damit gerechnet, einmal selbst Teil einer Band zu ein, die Menschen inspiriert. «Ich hoffe, die Menschen werden sich ermutigt fühlen, wenn sie sich unsere Auftritte ansehen», sagt er. «Sie können denken: Wenn Produce Pandas einen Durchbruch schaffen und auf einer grösseren Bühne auftreten können, warum dann nicht auch wir?»