Europäischer Gerichtshof EGMR in Strassburg verurteilt Schweiz wegen Konventionsverletzung

SDA

9.1.2018 - 11:03

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schweiz wegen Verletzung des Rechts auf Freiheit verurteilt. (Archiv)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schweiz wegen Verletzung des Rechts auf Freiheit verurteilt. (Archiv)
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Die Schweizer Justiz hat nachträglich eine stationäre Massnahme auf der Basis eines zu alten Gutachtens angeordnet und den Betroffenen nicht in einer adäquaten Einrichtung untergebracht. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden.

Mit dem Vorgehen haben die Schweizer Behörden Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, der ein Recht auf Freiheit und Sicherheit garantiert.

Der Gerichtshof hält fest, dass die nachträgliche Anordnung der stationären Massnahme eine Korrektur des im Mai 2005 gefällten Urteils sei. Dies erachtet das Gericht als korrekt. Allerdings sei zwischen der Erstellung des Gutachtens zum psychischen Zustand des Verurteilten und der Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme zu viel Zeit verstrichen.

Weiter hat der Gerichtshof gerügt, dass der im Rahmen des Verfahrens befragte Psychiater mehrere Einrichtungen genannt habe, in welchen die psychische Störung des Betroffenen behandelt werden könnte. Dennoch sei der Mann nach wie vor in einer gewöhnlichen Vollzugsanstalt untergebracht.

Keine Doppelbestrafung

Das Bundesgericht war in seinem Urteil vom Mai 2013 zum Schluss gelangt, dass die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung oder des Rückwirkungsverbots verstosse, wie es der Betroffene geltend gemacht hatte. Der Gerichtshof folgt nun dieser Argumentation.

Das Bundesgericht hielt damals fest, dass dem Sachgericht zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht bekannt gewesen sei, dass der Angeklagte gemeingefährlich sei, weil er nicht psychiatrisch begutachtet worden war. Das Gericht habe den Fall aufgrund der neuen Tatsachen wieder aufnehmen dürfen.

Weiter führte das Bundesgericht aus, das zum Zeitpunkt der Tat geltende Recht hätte ebenfalls eine nachträgliche Anordnung von Massnahmen unter Einschluss der Verwahrung oder der Unterbringung in einer Heilanstalt vorgesehen. Das alte Recht sei damit nicht milder gewesen.

Der Betroffene war im Mai 2005 wegen verschiedener Delikte zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Kurz vor Ablauf seiner Strafe wurde ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Dieses ergab, dass der Mann an einer schweren Störung leidet, die bereits zum Tatzeitpunkt vorhanden war. (Urteil 43877/13)

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