Feuerbestattungen in Afrika Feuerbestattungen in Afrika: Bruch mit einem alten Tabu

Rodney Muhumuza, AP

2.6.2018

Trauergäste bei einer Feuerbestattung in Nairobi.  
Trauergäste bei einer Feuerbestattung in Nairobi.  
Getty Images

Auf den Friedhöfen afrikanischer Städte wird der Platz knapp, zugleich können sich immer weniger Hinterbliebene eine teure Beerdigung leisten. Einäscherungen scheinen die naheliegende Lösung. Doch viele sträuben sich noch dagegen.

Wehklagende Frauen, lange Trauerreden, Viehschlachtungen: In Afrika sind Beerdigungen meist mehrtägige und zutiefst traditionelle Veranstaltungen. Mit aufwendigen Beisetzungsritualen wollen Hinterbliebene den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen. Die zunehmende Verbreitung von Feuerbestattungen ist vielen Afrikanern daher nicht geheuer.

Lange galten Einäscherungen als Tabu. Doch da immer mehr Menschen in die Städte ziehen, wird auf den Friedhöfen der Platz für Erdgräber knapp. Zudem können sich viele Bewohner keine teuren Beerdigungen mehr leisten.

Einer der Friedhöfe, auf denen es eng wird, liegt in Langata in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Dort wurden zum Teil schon Gräber übereinander errichtet. Im April riefen die Behörden die Kenianer deshalb auf, Feuerbestattungen zu akzeptieren. «Wir haben keinen Platz», sagte der oberste Gesundheitsbeamte der Stadt, Hitan Majevda, der Nachrichtenagentur AP. «Deshalb sind Einäscherungen für uns die einzige Option.»

Urnenbestattung von Kenneth Matiba

Weiter angefacht wurde die Debatte im vergangenen Monat durch die Urnenbestattung des Politikers Kenneth Matiba, eines ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und einst reichsten Mannes in Kenia. Das sozial konservative Land mit seinen mehr als 48 Millionen Einwohnern, von denen viele in überfüllten Slums leben, diskutiert darüber, ob die Verbrennung von Leichen vielleicht doch ein gangbarer Weg sein könnte.

Vor allem ältere Menschen in Matibas Heimatstadt reagierten schockiert auf den Wunsch des Politikers, eingeäschert zu werden, wie die Lokalzeitung «Star» berichtete. Der Propst der All-Saints-Kathedrale in Nairobi erklärte, die Debatte drehe sich «eher um eine kulturelle oder philosophische Frage als um eine biblische».

Matiba war nicht der erste prominente Kenianer, der sich für eine Feuerbestattung entschied. Auch die Friedensnobelpreisträgerin und Umweltaktivistin Wangari Maathai etwa wurde 2011 eingeäschert.

In westlichen Staaten sind Kremationen weit verbreitet und praktisch unumstritten. In den USA erreichte das Verfahren nach Angaben des Bestatterverbandes im vergangenen Jahr ein Rekordhoch und lag das zweite Jahr in Folge vor Erdbestattungen. Als ein Grund nannte der Verband die nachlassende Bedeutung von Religion in der Gesellschaft.

Armut und Platzmangel

In Afrika dagegen greifen die Befürworter von Brandbestattungen eher auf praktische Gründe zurück: Armut und Platzmangel. Die Einäscherung eines erwachsenen Toten kostet im Krematorium von Langata etwa 130 Dollar. Im Vergleich dazu sind traditionelle Beerdigungen in ganz Afrika ein grosses Geschäft. Es ist üblich, dass die Trauergäste schon Tage vor der Beisetzung unterhalten und verköstigt werden, oft auch mit Alkohol.

Das Krematorium in Langata verzeichnet nach Angaben von Mitarbeitern einen allmählichen Anstieg der Nachfrage. Jede Woche werde inzwischen mindestens ein Leichnam eingeäschert.

Zu den Kunden gehört Dickson Kamau, der an einem Nachmittag die Asche seines Bruders im Krematorium abholt. Seine Familie habe die «traumatisierende» Entscheidung zur Feuerbestattung getroffen, weil sie kein eigenes Land mehr besitze, erzählt er: «Wir leben in Nairobi und sind schon vor langer Zeit von zuhause weggezogen.»

Ähnliche Gründe nennt Elias Kagwa, dessen Cousin vor einigen Monaten eingeäschert wurde. Auch seine Familie habe nicht gewusst, wohin mit dem Leichnam, und sich deshalb schweren Herzens für das Verbrennen entschieden, sagt er. Die Angehörigen hätten es nicht ausgehalten, sich während der Prozedur in der Nähe des Krematoriums aufzuhalten, und hätten die Asche deshalb erst am nächsten Tag abgeholt.

«Ich will selbst nach meinem Tod eingeäschert werden, aber ich will nicht sehen, wie jemand, den ich kenne, eingeäschert wird», erklärt Kagwa.

Feuerbestattungen aus kulturellen Gründen abgelehnt

Die meisten Kenianer lehnen Feuerbestattungen ab, oft aus kulturellen Gründen. Ähnlich verhält es sich in anderen afrikanischen Ländern südlich der Sahara, wo traditionelle Denkweisen auch unter Christen und Muslimen hohen Respekt geniessen.

«Der eigene Stammbaum wird mit dem Ort in Verbindung gebracht, an dem die Vorfahren begraben sind», erklärt der Geschichtsprofessor Mwambutsya Ndebesa von der Makerere-Universität im benachbarten Uganda. «Eine Grabstätte ist wie ein physischer Ort der Identität, der Stammesidentität.»

Auch in Uganda haben Bestattungsunternehmer inzwischen Einäscherungen in ihre Angebotsbroschüren aufgenommen. Die Nachfrage hält sich bislang aber stark in Grenzen.

Bei ihm hätten sich zwar einige Hinterbliebene über die Möglichkeit einer Feuerbestattung informiert, aber letztlich dagegen entschieden, sagt der Bestatter Stephen Musoke aus der Hauptstadt Kampala. Seit 2002 habe sein Betrieb nur die Einäscherung eines einzigen Uganders organisiert.

Sein Kollege Pius Ssetimba sieht dennoch ein Konzept für die Zukunft, da die Gesellschaft sich verändere. «Die Menschen haben heutzutage keine Zeit, an Beerdigungen teilzunehmen, und es ist teuer, einen Friedhof zu pflegen.»

Was soll mit Friedhöfen in guten Lagen passieren?

In Uganda und anderen afrikanischen Ländern wachsen die Städte durch den Zuzug der Landbevölkerung immer mehr an. Das löst einen Immobilienboom aus, der eine neue Herausforderung birgt: Was soll mit Friedhöfen in guten Lagen passieren?

Rajni Tailor, dessen Indischer Verband Uganda das einzige Krematorium in Kampala betreibt, hat einen Kompromissvorschlag für diejenigen, die eine Grabstätte für künftige Generationen behalten wollen. Demnach könnten Leichname nur teilweise verbrannt werden und einige Knochen könnten in kleineren Gräbern beigesetzt werden, erklärt er. «Es geht darum, die Afrikaner zu überzeugen», sagt Tailor. «Die Stadtverwaltungen müssen sie davon überzeugen, dass Einäscherungen das Land retten.»

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