Fischsterben in der Oder Polen und Deutschland beraten und rätseln über die Ursache

Von Monika Wendel und Doris Heimann, dpa

14.8.2022 - 18:37

Mit Hilfe eines flexiblen Damms werden die toten Fische eingesammelt.
Mit Hilfe eines flexiblen Damms werden die toten Fische eingesammelt.
Bild: dpa

Wer und was ist schuld am Fischsterben in der Oder? Nach breiter öffentlicher Kritik beraten Polen und Deutschland gemeinsam. Bislang schien die Aufklärung des Fischsterbens zäh.

14.8.2022 - 18:37

Nach breiter öffentlicher Kritik beraten Deutschland und Polen gemeinsam über die Aufklärung des massenhaften Fischsterbens in der Oder. In Stettin will Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Sonntagabend ihre polnische Amtskollegin treffen. Tagelang hatte es offen Kritik gegeben, Polen habe nicht rechtzeitig über das Fischsterben informiert und Meldeketten nicht eingehalten.

Die Suche nach der Ursache dauert indes an. Am Montag werden in Brandenburg weitere Labor-Ergebnisse erwartet. Geprüft wird unter anderem, ob ein erhöhter Salzgehalt im Wasser im Zusammenhang mit dem Fischsterben steht.

Belohnung von mehr als 200’000 Euro

Die polnische Regierung vermutete, dass womöglich eine riesige Menge an chemischen Abfällen in die Oder gekippt wurde. Zur Aufklärung des als Umweltkatastrophe bewerteten Fischsterbens setzte Polen eine Belohnung von mehr als 200’000 Euro aus. Bei den gemeinsamen Beratungen der Nachbarländer Polen und Deutschland wollen am Sonntagabend in Stettin auch die Landesumweltminister von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern dabei sein.

Mittlerweile sind auch die Menschen an der Ostsee in Sorge. Dem Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern zufolge sind bisher aber keine Fischkadaver im deutschen Teil des Stettiner Haffs entdeckt worden. «Bislang hat die Wasserschutzpolizei keine Kadaver gesichtet; auch Anwohner haben uns bislang nichts Derartiges gemeldet. Dennoch sind wir weiterhin in Alarmbereitschaft und beobachten die Situation vor Ort genauestens», sagte Landesminister Till Backhaus (SPD) am Sonntag in Schwerin.

300 Helfer auf 80 Kilometern

Im Oder-Grenzgebiet in Brandenburg sammelten am Wochenende Hunderte Helfer tote Tiere ein. Am Ufer in der Kleinstadt Lebus im Kreis Märkisch-Oderland breitete sich am Samstag durch die Verwesung unangenehmer Geruch aus, wie ein dpa-Reporter berichtete. Zu sehen war auch, wie Vögel mit toten Fischen wegflogen. Einsatzkräfte trugen Gummistiefel und Handschuhe, um sich vor direktem Kontakt mit dem Wasser und den Fischen zu schützen. «Ich rechne mit mehreren Tonnen Fisch, die wir rausholen», sagte am Freitag Thomas Rubin für die Kreisverwaltung. Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke, sagte, die Ufer der Oder im Stadtgebiet seien inzwischen weitgehend frei geräumt von toten Fischen.

Die Bürgermeisterin von Schwedt an der Oder, Annekathrin Hoppe (SPD), bezeichnete das Fischsterben als Umweltkatastrophe nie dagewesenen Ausmasses. Vertreter des Nationalparks Unteres Odertal befürchten, dass sich die Auswirkungen noch Jahre hinziehen könnten. Derweil forderte der Linke-Bundestagsabgeordnete Christian Görke, der Bund solle finanzielle Hilfe für betroffene Städte und Betriebe zusagen. Es sei ausserdem unverständlich und inakzeptabel, dass nach fast einer Woche immer noch keine konkrete Ursache bekannt sei, meinte er.

Bundesumweltministerin Lemke verlangte vor dem Treffen mit ihren polnischen Amtskollegen Aufklärung über die Hintergründe des Fischsterbens in der Oder. Die Regierung des Nachbarstaats habe bereits eingeräumt, dass Informationen zu der Umweltkatastrophe auch innerhalb Polens nicht weitergegeben worden seien, sagte sie am Sonntag NDR Info. «Uns haben diese Informationen noch viel später erreicht.» Ziel des Treffens am Sonntagabend müsse nun sein, «dieses Verbrechen aufzuklären». Sie erwarte Aufklärung darüber, was bisher an Gewässerproben analysiert worden sei und was demnach die Schadensursache sein könnte.

Nach Angaben von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) weist die Oder «sehr stark erhöhte Salzfrachten» auf. Das sind im Wasser gelöste Salze. Dem Landesministerium zufolge könnte dies in Zusammenhang mit dem Fischsterben stehen. «Nach jetzigen Erkenntnissen wird es jedoch nicht ein einziger Faktor sein, der das Fischsterben in der Oder verursacht hat.»

Chemieabfälle im Fluss

Auch in Polen wiesen Analysen auf erhöhte Salzwerte im Wasser hin, wie Umweltministerin Anna Moskwa der Nachrichtenagentur PAP sagte. «Der hohe Salzgehalt der Oder hat möglicherweise andere giftige Stoffe im Wasser oder im Bodensediment aktiviert. Die toxikologische Untersuchung der Fische wird dazu beitragen, eventuelle Schadstoffe festzustellen, die zum Tod der Tiere beigetragen haben.» Die polnische Regierung sieht das Schwermetall Quecksilber nicht als Ursache.

Bereits Ende Juni hatten polnische Behörden nach Regierungsangaben Hinweise, dass in dem Fluss massenweise verendete Fische treiben. Nun stehen Regierung und Behörden in der Kritik, Informationen nicht rechtzeitig weitergegeben zu haben. Am Freitagabend entliess Regierungschef Mateusz Morawiecki deshalb die Leiter der Wasserbehörde und der Umweltbehörde. Er selbst habe erst am Mittwoch von dem massiven Fischsterben erfahren. «Ich wurde auf jeden Fall zu spät informiert.»

Von Monika Wendel und Doris Heimann, dpa