Bluttat in Deutschland Frau und drei Kinder getötet: Schwer verletzter Vater unter Verdacht

Von Catherine Simon, dpa

26.6.2018

Furchtbarer Fund am frühen Morgen: In einer Wohnung in einem Hochhaus in Bayern entdeckt die Polizei vier Leichen - eine Frau und ihre drei kleinen Kinder. Der 31 Jahre alte Vater und Ehemann überlebt schwer verletzt einen Sturz aus dem dritten Stock.

Die grauen Rollläden an der Wohnung im dritten Stock sind heruntergelassen. Vor dem grossen Mehrfamilienhaus stehen zwei silberfarbene Leichenwagen. Mehrere Polizisten und ein weiss gekleideter Rechtsmediziner gehen ein und aus. Nur wenige Stunden zuvor hat sich am Dienstag in dem etwas heruntergekommenen Plattenbau im fränkischen Gunzenhausen - rund 50 Kilometer von Nürnberg entfernt - eine Familientragödie abgespielt. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei hat ein 31 Jahre alter Mann seine zwei Jahre jüngere Frau und seine drei Kinder getötet. Das Mädchen war drei Jahre alt, die zwei Jungs sieben und neun.

Danach sei der Mann vermutlich vom Balkon der Wohnung gesprungen oder gestürzt, sagt Polizeisprecher Rainer Seebauer. «Der Vater gilt als tatverdächtig, die vier umgebracht zu haben.» Dennoch werde im Moment noch «in alle Richtungen ermittelt», die ersten Vernehmungen laufen. Daher kann Seebauer auch noch nichts zu den Hintergründen oder zum Motiv für die Tat sagen. Auch wie Mutter und Kinder getötet wurden, bleibt vorerst geheim. Einen Medienbericht, wonach der Mann seine Frau und die Kinder erstochen hat, bestätigt Seebauer nicht. Es handele sich dabei um «Täterwissen», das die Ermittler nicht preisgeben können, solange sie nicht wissen, ob nicht doch noch jemand anderes an der Tat beteiligt war.

Was er berichten kann: Ein Verwandter der Familie - möglicherweise ein Bruder des Vaters oder der Mutter - hat die vier Leichen und den schwer verletzten 31-Jährigen am frühen Morgen um kurz vor 6.00 Uhr gefunden und die Polizei alarmiert. Ob er einen Schlüssel für die Wohnung hatte und warum er so früh am Morgen dort war, kann der Polizeisprecher nicht sagen. Der 31-Jährige wird bei dem Sturz aus dem dritten Stock schwer verletzt und kommt sofort zur Operation ins Krankenhaus. Ansprechbar ist er zunächst nicht.

«Normalerweise sieht man so etwas nur im Fernsehen»

In der Wohnung finden die Beamten dann die vier Toten. Lärm und Schreie soll es am Morgen gegeben haben, berichten Nachbarn. Immer wieder schauen Bewohner des neungeschossigen Baus aus ihren Fenstern oder stehen auf den Balkonen. Herbert Pötzl wohnt im sechsten Stock des Gebäudes. «Was mich so trifft: Es sind die Kinder. Die können doch nichts dafür», sagt der 67-Jährige. Gekannt habe er die Familie nicht, er wohnt erst seit März hier. «Man kennt die Leute in so einem grossen Haus nicht», sagt Pötzl. Er kann das Ganze nicht fassen: «Normalerweise sieht man so etwas nur im Fernsehen.»

Die Polizei steht mit ihren Ermittlungen noch ganz am Anfang. Familienangehörige des Paars und Nachbarn werden nun befragt. Vor allem von dem Zeugen, der die Polizei verständigt hat, erhoffen sich die Kriminalbeamten wichtige Hinweise. Der 31 Jahre alte mutmassliche Täter sei laut seinem Personalausweis Deutscher, sagt Seebauer. Geboren sei er in Russland.

Der 52 Jahre alte Harald, der in Sichtweite des Hochhauses wohnt, erzählt mehreren Journalisten, erst am Sonntag sei die Polizei hier gewesen und habe die Kinder aus dem Haus gebracht. Er habe gehört, dass der Vater die Kinder nicht habe «hergeben» wollen. Genaueres wisse er nicht. Er habe sich nur gewundert, dass die Kinder nun wieder hier gewesen seien.

«Für mich ist das sehr, sehr schlimm»

Die Polizei nimmt zu diesen Gerüchten vorerst nicht Stellung. An diesem Mittwoch wollen die Ermittler eine Pressekonferenz in Ansbach geben - möglicherweise wissen sie dann mehr. Harald hält seinen kleinen Hund auf dem Arm. Er habe die Familie oft spazieren gehen sehen - mit dem Kinderwagen. «Für mich ist das sehr, sehr schlimm», sagt er und ist den Tränen nahe.

Auch der Erste Bürgermeister der 16 000-Einwohner-Gemeinde, Karl-Heinz Fitz, zeigt sich erschüttert. «Es gab von unserer Seite keine Anhaltspunkte, dass sich da so eine Tragödie ereignen könnte», sagt er der Deutschen Presse-Agentur. «Irgendwie fehlen einem ein bisschen die Worte. Es ist schlimm.»

Zwölf Notfallseelsorger kümmern sich um die Familienangehörigen, um die Einsatzkräfte und um die Nachbarn. Auch den Mitschülern müsse erklärt werden, warum die beiden Jungs nicht in die Schule gekommen sind, sagt Seebauer.

Für die mittelfränkische Polizei ist es schon das zweite Familiendrama innerhalb von zwei Tagen: Erst am Montag hat im nur etwa 30 Kilometer entfernten Heilsbronn ein Mann seine Frau und seine 14-jährige Tochter schwer verletzt und sich dann getötet.

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