Der Schweizer Autor Ralph Dutli hat mit «Das Gold der Träume» seinen dritten Teil kleiner Kulturgeschichten vorgelegt – eine Lektürefreude mit kleinen Einschränkungen. Dutli beleuchtet die Ambivalenz von Gold als Symbol für Glanz und Gier über mehrere Jahrtausende. (Archivbild)
Aus einem Thrakischen Goldschatz, 3. Jh.v.Chr.: Damals wie heute war und ist Gold ein Symbol für göttlichen Glanz und teuflische Gier. In seiner Kulturgeschichte «Das Gold der Träume» beleuchtet der Schweizer Autor Ralph Dutli diese Ambivalenz. (Archivbild)
Glanz und Gier: Kulturgeschichte des Goldes
Der Schweizer Autor Ralph Dutli hat mit «Das Gold der Träume» seinen dritten Teil kleiner Kulturgeschichten vorgelegt – eine Lektürefreude mit kleinen Einschränkungen. Dutli beleuchtet die Ambivalenz von Gold als Symbol für Glanz und Gier über mehrere Jahrtausende. (Archivbild)
Aus einem Thrakischen Goldschatz, 3. Jh.v.Chr.: Damals wie heute war und ist Gold ein Symbol für göttlichen Glanz und teuflische Gier. In seiner Kulturgeschichte «Das Gold der Träume» beleuchtet der Schweizer Autor Ralph Dutli diese Ambivalenz. (Archivbild)
Gold ist derzeit auf den Anlagemärkten so teuer wie selten. Vor diesem Hintergrund ist Ralph Dutlis neues Buch «Das Gold der Träume» ungeahnt aktuell. Die Lektüre dieser Kulturgeschichte lohnt sich – trotz Einschränkungen.
Ralph Dutli spannt in «Das Gold der Träume» den Bogen weit – vom ältesten Goldschmuck der Welt aus Bulgarien (4600 v. Chr.) über die Rezeption des Edelmetalls in der Literatur bis zum jüngsten Höhenrausch des Goldpreises in der Coronakrise. Der Schweizer Autor legt mit dem Werk den dritten Teil seiner «Kleinen Kulturgeschichten» vor, nachdem er sich bereits dem Honig und der Olive gewidmet hat.
Goldene Zeitalter
Besonders ausführlich geht Dutli auf die Bedeutung von Gold in der Literatur ein. Den Beginn macht er beim altgriechischen Dichter Hesiod, der in seinem Epos «Werke und Tage» das goldene Menschengeschlecht an den Anfang seiner Erzählung über die Dekadenz der Menschen im Lauf der Zeit stellt.
«Zuerst schufen die unsterblichen Götter, welche die Palastgemächer des Olymps bewohnen, das goldene Geschlecht der sprechenden Menschen. (...) Sie lebten wie Götter, das Herz ohne Kummer», schrieb Hesiod. «Als Sinnbild für alles Positive, Helle, Angst- und Sorgenfreie bot sich kein besseres Metall an als das Gold», erklärt Dutli.
Die Geschichte vom paradiesischen Anfang im mythischen Goldenen Zeitalter nimmt der römische Dichter Ovid in seinen Verwandlungsgeschichten (Metamorphosen) auf. «Gold im Zusammenklang mit Zeitbegriffen verweist immer auf ideale Zustände, auf eine kulturelle Blütezeit oder auf einen besonders aufregenden Zeitabschnitt», analysiert Dutli: Vom Goldenen Zeitalter Hesiods und Ovids über das Goldene Jahrhundert Spaniens im 16. Jahrhundert bis zu den Golden Twenties reichen die Beispiele.
Textstellen für die Bedeutung des Goldes als Symbol für göttliche Sphären stammen aus dem Gilgamesch-Epos, von den griechischen Dichtern Sappho und Pindar, aus der Argonautensage und vom römischen Poeten Lukrez.
Verfluchter Hunger nach Gold
Auch die negativen Auswirkungen des Goldes auf die Menschen nimmt Dutli anhand von zahlreichen literarischen Quellen ausführlich unter die Lupe. So in Herodots Geschichte vom lydischen König Kroisos, der sich im Glanz seines aufgehäuften Goldes sonnt und dessen Name zur sprichwörtlichen Bezeichnung eines Reichen – des Krösus – geworden ist.
Kroisos wagt im Vertrauen auf einen zweideutigen Orakelspruch den Krieg mit dem Perserkönig Kyros und richtet damit sein eigenes Reich zugrunde. «Gegenwärtiges Gold und künftiges Glück passen nicht immer zusammen», stellt Dutli fest.
Als Warner vor den negativen Folgen des Goldes führt Dutli die römischen Dichter Tibull, Properz, Ovid (König Midas), Vergil («verfluchter Hunger nach Gold») und Horaz an. Allerdings schält Dutli nicht heraus, inwiefern die antiken Autoren literarische Topoi verwenden, die damals gang und gäbe waren und nicht die persönliche Meinung des Autors wiedergeben.
Tiefer in die Texte dringt Dutli bei den Schriftstellern ab der Renaissance ein: Von Jean Dorat (1508 bis 1588), Pierre de Ronsart (1524 bis 1585) über Shakespeare, Goethe, die Märchen der Gebrüder Grimm bis zu Rainer Maria Rilke (1875 bis 1926).
Verheerende Schäden an Mensch und Umwelt
Dutli beschränkt sich nicht auf die Literatur, sondern zeigt auch, was Menschen in ihrer Gier nach Gold in der Natur und im Verlauf der Geschichte angerichtet haben. So schildert er die grossen Schäden beim Abbau des Edelmetalls für Umwelt und Arbeiter in legalen und illegalen Minen in Afrika und Südamerika.
«Die Kulturgeschichte des Goldes ist keine Idylle und nicht immer Anlass zu Jubel: Für Gold sind Kriege geführt und Menschheitsverbrechen begangen worden», schreibt Dutli. Ausführlich beschreibt er die durch den Goldwahn ausgelöste Eroberung Lateinamerikas durch die Spanier oder die Finanzierung des Zweiten Weltkriegs durch das Dritte Reich mit Raub- und Totengoldverkäufen, unter anderem auch über die Schweiz.
Dutlis Buch ist eine wertvolle Quellensammlung. Den Anspruch, eine Kulturgeschichte des göttlichen und verteufelten Metalls zu sein, hält der Autor aber wegen der geringen Systematik nicht ein. Die Themen führt er sprunghaft ein. So folgt beispielsweise auf Hesiod und Ovid das viel ältere Gilgamesch-Epos, bevor er auf die Assyrer, die alten Ägypter und wieder über Homer auf Sappho fokussiert.
Das macht es schwer, beim Lesen den Überblick zu behalten. Gewisse Argumentationen wiederholen sich gleich mehrfach. Eine Lektürefreude ist Dutlis Buch trotzdem: Es ist glänzend geschrieben, nicht zuletzt, weil der Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer Ralph Dutli ohne Sprachmarotten zurechtkommt.*
*Dieser Text von Johannes Brinkmann, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.
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