Suspendiert Täter gesteht: Ich stellte den Haftbefehl online

DPA/uri

31.8.2018

Nach der tödlichen Messerattacke in Chemnitz wurde der Haftbefehl gegen den mutmasslichen Täter tausendfach im Internet verbreitet. Nun scheint das Leck gefunden.

Den im Internet veröffentlichten Haftbefehl eines mutmasslichen Täters der Messerattacke von Chemnitz hat offensichtlich ein Dresdner Justizvollzugsbediensteter weitergegeben. Der Mann sei mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert worden, teilte das sächsische Justizministerium am Donnerstag mit.

Über weitere Massnahmen gegen den Mann soll nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen entschieden werden. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung berichtet, dass sich der Mann gestellt habe. Das Justizministerium bestätigte allerdings die Identität des Bediensteten nicht.

Das teilweise geschwärzte Dokument war unter anderem auf Internetseiten von Pro Chemnitz, einem Kreisverband der AfD sowie des Pegida-Gründers Lutz Bachmann verbreitet worden. Das Schweizer Aussen-Department hat mittlerweile eine Reisewarnung für das Nachbarland herausgegeben: Wer nach Deutschland reist, müsse mit Ausschreitungen rechnen, mahnen die hiesigen Behörden.

Er habe Spekulationen über die Tat ein Ende setzen wollen

Am Mittwoch seien zahlreiche Objekte durchsucht worden, hiess es vom Justizministerium weiter. Die Ermittlungen hätten sich bald auf die Justizvollzugsanstalt Dresden konzentriert. «Die Staatsanwaltschaft Dresden hat seit gestern umfangreiche Ermittlungsmassnahmen durchgeführt, so dass ich davon ausgehe, dass der Fahndungsdruck auf den betroffenen Bediensteten derart hoch war, dass er sich jetzt stellte», sagte der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) am Donnerstag.

Der Rechtsanwalt des suspendierten Justizvollzugsbeamten veröffentlichte am Donnerstag eine Stellungnahme seines Mandanten im sozialen Netzwerk Facebook. Dort gab der Mann zu, den Haftbefehl vollständig abfotografiert zu haben. Ihm sei klar gewesen, dass er seinen Job mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren werde, nicht aber, dass er sich möglicherweise strafbar mache, hiess es weiter. Sein Ziel sei es gewesen, «dass die Spekulationen über einen möglichen Tatablauf ein Ende haben».

Am Sonntag war in Chemnitz ein 35-jähriger Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Ein 22 Jahre alter Iraker und ein Syrer (23) sitzen als Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Nach der Tat zogen überwiegend rechte Demonstranten durch die Stadt, hetzten gegen Ausländer, einige wurden sogar angegriffen.

Tatverdächtiger war nicht geduldet

Der festgenommene Iraker war nach Angaben des sächsischen Innenministeriums in Deutschland nicht geduldet. Damit widersprach das Ministerium anderslautenden Meldungen. Nach den Unterlagen der Landesdirektion Sachsen sei noch ein Asylverfahren beim Bundesamt für Migration (Bamf) anhängig. Der Iraker habe seit Oktober 2015 in Sachsen gelebt. Den ersten Antrag habe das Bamf im März 2017 als unzulässig abgelehnt. Rechtsmittel gegen diese Entscheidung seien aber erfolgreich gewesen, weshalb es ein neues Verfahren gab.

Am Donnerstag waren Meldungen veröffentlicht worden, wonach die Abschiebung des Irakers schon im Mai 2016 für zulässig erachtet wurde. Nach Recherchen der «Welt» und der «Nürnberger Nachrichten» liess das Bamf die Rückführung des Mannes aber verstreichen, der bereits vor seiner Einreise in Deutschland Asyl in Bulgarien beantragt hatte. Die beiden Zeitungen bezogen sich auf Angaben des Verwaltungsgerichtes Chemnitz. Das Verwaltungsgericht war am Donnerstagabend nicht mehr erreichbar.

Familienministerin Franziska Giffey hat am Freitagmorgen als erstes Mitglied der Bundesregierung nach dem Tod eines 35-Jährigen und rechten Ausschreitungen Chemnitz besucht. Die SPD-Politikerin legte an einem provisorischen Gedenkort einen Blumenstrauss mit sechs weissen Rosen nieder. Anschliessend verharrte sie sichtlich bewegt an der Stelle, an der der Mann am vergangenen Sonntag niedergestochen worden war. Tatverdächtig sind zwei Asylbewerber aus dem Irak und aus Syrien. Sie befinden sich in Untersuchungshaft.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) legt am Tatort einen Strauss Blumen nieder. Am 26. August 2018 war in Chemnitz ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Nach der Tat zogen überwiegend rechte Demonstranten durch die Stadt, von denen einige Ausländer angriffen.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) legt am Tatort einen Strauss Blumen nieder. Am 26. August 2018 war in Chemnitz ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Nach der Tat zogen überwiegend rechte Demonstranten durch die Stadt, von denen einige Ausländer angriffen.
dpa
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