Manifest des Amokfahrers «Herr über Leben und Tod»: Wie krank war der Münster-Täter?

Sophia Weimer, Teresa Dapp und Martin Oversohl/dpa

9.4.2018

Münster danach. Während sich die Stadt vom Schock der tödlichen Amokfahrt zu erholen versucht, wollen die Ermittler Spuren auswerten, die der Täter vor seinem blutigen Abschied hinterlassen hat. Es geht vor allem um eine Art Lebensbeichte, die er geschrieben haben soll.

Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten im deutschen Münster wollen die Ermittler eine Art Bewegungsprofil des 48-jährigen Todesfahrers erstellen. «Wir konzentrieren uns jetzt mit unseren Untersuchungen insbesondere darauf, ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten», sagte der Polizeipräsident der Stadt, Hajo Kuhlisch. So wollten die Ermittler dessen Motivation für die blutige Tat verstehen.

Am Sonntag war bekannt geworden, dass der gebürtige Sauerländer wegen psychischer Probleme Kontakt zum Gesundheitsamt hatte und suizidale Gedanken formulierte. Bei dem blutigen Zwischenfall vor einem Lokal in der belebten Innenstadt wurden am Samstag rund 20 Menschen verletzt. Drei von ihnen schwebten am späten Sonntagabend noch in Lebensgefahr.

Suizidale Gedanken per E-Mail

Nach Angaben der Polizei gibt es weiterhin keine Hinweise auf ein politisches Motiv für die Amokfahrt oder auf weitere Täter. Der Täter, ein Industriedesigner, habe Ende März eine Mail an mehrere Bekannte geschrieben, teilte die Polizei mit. «Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen.»

Nach Medienangaben hatte der Mann in der Mail und auch in einem langen Schreiben, das in seiner weiteren Wohnung im sächsischen Pirna gefunden wurde, über Schuldkomplexe, Zusammenbrüche und Ärztepfusch geklagt. Polizeipräsident Kuhlisch sagte, die Ermittler gingen daher davon aus, «dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen». 

Nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer zeigt der Täter von Münster alle Merkmale eines Amokläufers. Der Mann sei offenkundig «ein einsamer Wolf ohne soziale Bindung und sozialen Erfolg», sagte Pfeiffer der «Nordwest-Zeitung» (Montag) in Oldenburg. Aus so einer Ohnmachtserfahrung könne sich der Wunsch nach Macht entwickeln.

«Herr über Leben und Tod»

«Der Amokläufer möchte Herr über Leben und Tod anderer Menschen sein, möchte die Panik in ihren Augen sehen, wenn er sie mit tödlicher Wucht angreift», sagte Pfeiffer. «Das soll ihn entschädigen für all die Niederlagen und Demütigungen, für die er andere verantwortlich macht.»

Mit den Betroffenen und den Verletzten will die nordrhein-westfälische Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz am Montag in Münster zusammenkommen. Über ihren Sprecher Peter Marchlewski rief sie dazu auf, die unschuldigen Betroffenen nicht zu vergessen. «Nach einer tragischen und blutigen Tat wie dieser ist es wichtig, den Opfern die Hilfe anzubieten, die sie benötigen, kurzfristig und auch auf lange Sicht. Opfer sind unschuldig. Und sie geraten auch in der Diskussion über eine solche Tat zu schnell in Vergessenheit.»

Die die Einwohner der Stadt suchen derweil weiter nach Erklärungen. «Die Menschen haben jetzt gemerkt, dass es auch für sie ein Restrisiko gibt. Nicht nur Berlin oder München - nein, es kann auch uns in Münster treffen, das haben die Menschen jetzt begriffen», sagt der Münsteraner Psychologe Steffen Fliegel.

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