Erwin Rommel Hitlers Lieblingsgeneral - wie wird man dem «Wüstenfuchs» gerecht?

von Thomas Burmeister, dpa

12.5.2018

Vor 75 Jahren kapitulierte das Deutsche Afrikakorps. Doch der «Mythos Rommel» lebt weiter. Am Ort seines erzwungenen Suizids bemüht man sich, Licht und Schatten im Leben des Generals aufzuzeigen.

Salutieren mit Blick auf Erwin Rommels Totenmaske und seine Tropenuniform: Auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem Schauplatz Afrika - das Deutsche Afrikakorps kapitulierte am 12. Mai 1943 in Tunesien - zieht es noch Besucher an den Ort, an dem der zum «Wüstenfuchs» hochstilisierte Erwin Rommel zuletzt wohnte. Und an dem er auf Weisung Adolf Hitlers zum Suizid gezwungen wurde: Herrlingen, heute ein Ortsteil der Kleinstadt Blaustein nahe Ulm.

Der Militärgruss gehöre für manche Besucher halt dazu, berichtet Karlo Hafner (69). Der Hobby-Historiker und Ex-Schuldirektor führt Interessierte durch die Rommel-Ausstellung in der Jugendstil-Villa «Lindenhof», die einst ein jüdischer Unternehmer errichten liess und heute der Gemeinde gehört. Seit 1989 beherbergt sie in zwei Räumen eine Rommel-Ausstellung.

Geboten wird ein Devotionalien-Sammelsurium neben hochinteressanten militärgeschichtlichen Dokumenten und Briefen. Es gibt Fläschchen mit Sand aus Wüstengegenden, in denen Rommel kämpfte, und alten Cognac aus US-Militärbeständen - «ein Geschenk von amerikanischen Verehrern, die wohl nicht wussten, dass Rommel kaum Alkohol trank», sagt Hafner. Britische Afrika-Veteranen spendierten das Holzmodell eines Panzers.

Als die Niederlage in Afrika unausweichlich wurde,  zog man Rommel ab

Kann das ein Ort für eine seriöse Beschäftigung mit dem Leben und Sterben eines Mannes sein, der als Hitlers Lieblingsgeneral galt, der von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels als militärischer Medienstar in Szene gesetzt wurde, und der schliesslich wegen seines mutmasslichen Sympathisierens mit dem Widerstand in den Tod getrieben wurde?

Eher weniger, wenn Besucher sich einfach den Schlüssel bei der Gemeindeverwaltung abholen und dann allein zwischen Vitrinen mit NS-Orden und Rommels Marschallstab umherwandeln.

Doch zum lehrreichen Diskurs wird ein Besuch in Herrlingen, wenn er mit einer der sachkundigen Führungen durch Karlo Hafner verbunden wird. Unter anderem erfahren Besucher, die es noch nicht wussten, dass der «Wüstenfuchs» längst unter Geheimhaltung aus Afrika abgezogen worden war, als die Niederlage unausweichlich war.

Der Funkspruch erreichte das Oberkommando der Wehrmacht in der Nacht zum 12. Mai 1945 gegen 0.40 Uhr. «Munition verschossen. Waffen und Kriegsgerät zerstört», meldete der Nachfolger Rommels, General der Panzertruppen, Hans Cramer. «Das Deutsche Afrikakorps hat sich befehlsgemäss bis zur Kampfunfähigkeit geschlagen. Das Deutsche Afrikakorps muss wiedererstehen!» Der Funkspruch endete mit dem Gruss der deutschen Afrikakämpfer des Ersten Weltkriegs «Heia Safari!».

Rommel soll schon in Afrika nicht mehr an den «Endsieg» geglaubt haben

«18'594 Deutsche, 13'748 Italiener, 35'476 Briten und 16'500 Amerikaner waren seit Beginn der Kämpfe im September 1940 gefallen», bilanzierte der Münchner Historiker und Dokumentarfilmproduzent Maurice Philip Remy. Hinter vorgehaltener Hand sprachen Deutsche in Anspielung auf das Fiasko in Stalingrad von «Tunisgrad».

Erst am 9. Mai 1943 hatten sie durch ein Kommuniqué erfahren, dass sich Rommel aus angeblich gesundheitlichen Gründen nicht mehr in Afrika befinde. Sein Name sei dem NS-Regimes für die weitere Kriegsführung einfach zu wertvoll gewesen, schrieb der Historiker Ralf Georg Reuth. Goebbels notierte in seinem Tagebuch, einen Rommel könne man «nicht nach Belieben schaffen und nach Belieben wieder beseitigen».

Bereits in Afrika - so Remy in seinem Buch «Mythos Rommel» - habe der General «aufgehört, an den "Endsieg" zu glauben». Der aus dem schwäbischen Heidenheim stammende Rommel habe Hitler zwar lange verehrt, sich aber Durchhaltebefehlen Hitlers widersetzt, um sinnlose Opfer zu vermeiden - so in der Schlacht um El Alamein.

In Afrika stand Rommel, der später an der Westfront schwer verwundet wurde, im Ruf, fair zu kämpfen und Regeln der Genfer Konvention zum Umgang mit Gefangenen und Verletzten zu respektieren. Dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 habe er nicht zugestimmt, berichten Historiker. Allerdings habe er die Pläne dazu, in die er wohl teils eingeweiht war, auch nicht verraten. Als das Hitler berichtet wurde, schickte er am 14. Oktober Generäle mit Zyankali zu Rommel.

Für die Bundeswehr ist Rommel nach wie vor traditionsstiftend

«Er nahm den Giftbecher und opferte sich, um das Leben seiner Familie vor den Schergen Hitlers zu retten», steht auf einem verwitterten Gedenkstein unweit des einstigen Rommel-Wohnhauses an der heutigen Rommel-Steige, das im Privatbesitz einer Familie ist.

Die Ausstellung, der Gedenkstein und Rommels Grab würden mittlerweile beinahe mehr von Ausländern als von Deutschen besucht, berichtet Hafner - vor allem Amerikaner, Franzosen, Briten und sogar Chinesen. «Wir versuchen, Rommels Licht- und die Schattenseiten aufzuzeigen.» Hafner hält ein Rollenspiel bereit, das er gern Bundeswehrsoldaten anbietet. Teilnehmer ziehen Karten mit Aufschriften wie «Volksheld», «Draufgänger», «Faschist», «Kriegsverbrecher», «Nazi-Held» oder «Widerstandskämpfer» und sollen sich im Streitgespräch dazu äussern.

Für die Bundeswehr sei Rommel nach wie vor traditionsstiftend, heisst es im Verteidigungsministerium. «Trotz seiner Eigenschaft als Funktionsträger des NS-Regimes hat er wiederholt verbrecherische Befehle missachtet», sagte ein Ministeriumssprecher. Allerdings schicke die Bundeswehr keine Ehrenwache mehr zur jährlichen Gedenkfeier am Todestag an Rommels Grab. Die Teilnahme von Soldaten sei aber zulässig.

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