Kunstschatzkammer«Jeder Stein ein Schatz» — Flut und Zeit nagen an Venedigs Markusdom
AP
25.12.2019
Von kostbaren Marmorsäulen bis hin zu seinen vielen Mosaiken: Der Markusdom in Venedig ist eine wahre Kunstschatzkammer. Aber die jüngste schwere Flut in der Lagunenstadt hat ihre Spuren hinterlassen — wenn auch für das blosse Auge nicht sichtbar.
«Jeder Stein ist ein Schatz», sagt Giuseppe Maneschi und weist auf die kostbaren Goldblatt-Mosaiken an der Decke, auf das Bodenpflaster mit seinen Intarsien und die mit Marmor verkleideten Wände. Tatsächlich könnte er wohl einen ganzen Tag lang die Kunstwerke in diesem 923 Jahre alten Bauwerk aufzeigen und wäre dann immer noch nicht fertig — so gross ist hier der Reichtum an Meisterstücken. Aber viele davon sind verwundbar, leiden, wenn sie dem Meereswasser ausgesetzt sind. Wie vor Kurzem, während der schweren Flut.
Maneschi ist technischer Direktor des Kirchengemeinderats der Basilica di San Marco, dem Markusdom von Venedig. Das Hochwasser in der Lagunenstadt im vergangenen Monat nach anhaltenden Regenfällen und begleitet von starkem Wind hat an dem Gebäude Schäden von mindestens fünf Millionen Euro angerichtet.
Die erste Flut kam am 12. November, der Pegel stieg auf 1,87 Meter über dem Meeresspiegel. Dann schwoll das Wasser zwei weitere Male an, jeweils mit einem Höchststand von mehr als 1,50 Metern: Eine solche Serie schwerer Überschwemmungen hatte es zuvor noch nie in der Stadt gegeben, seit es Aufzeichnungen gibt.
So spricht denn auch Carlo Alberto Tesserin, der Hauptverwalter der Basilika, vom bisher schlimmsten Fall — auch wenn die höchste Flut im November sieben Zentimeter unter der berüchtigten von 1966 zurückblieb. Damals erreichte der Pegel 1,94 Meter.
Windböen peitschten Wasser hoch
Im November kam erschwerend hinzu, dass heftige Windböen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 Kilometern pro Stunde das Wasser zusätzlich hochpeitschten, es durch die Fenster der Dom-Krypta der Patriarchen trieben. Die Stürme richteten auch Schäden an den Kuppeln an, rissen bleierne Dachpfannen weg, wie Tesserin schildert. Beides sei bisher einmalig in der Geschichte des Domes.
Augenzeugen berichteten auch von bis dahin noch nie vorgekommenen Wellen auf dem Markusplatz, an dem die Kirche steht. «Es war das erste Mal, dass ich wirklich Angst hatte», sagt Maneschi, der technische Direktor. Demnach war es sozusagen ein dreifacher Angriff: Wasser drang vom Markusplatz ein, durch die innere Kirchenvorhalle sowie durch die Fenster der Krypta, und es drängte aus dem Grund unter dem Gebäude nach oben.
Maneschi half mit, bewegliche wertvolle Gegenstände wie ein stehendes Kruzifix in Sicherheit zu bringen. Die Krypta stand 24 Stunden lang unter Wasser, und die Basilika blieb insgesamt eine Woche lang geschlossen. In dieser Zeit wuschen Arbeiter die Böden im Dom viermal mit Frischwasser — eine notwendige Behandlung, aber Maneschi zufolge auch riskant, da das Salz an der Bepflasterung reibt.
Insgesamt ist Salz der Hauptschadenverursacher. Das Wasser wird von den Marmorsäulen oder der Marmorverkleidung an den Wänden absorbiert, von der Ziegelsteinkonstruktion aufgesogen, kriecht die Wände hinauf und in die Tragsäulen hinein. Wenn das Wasser trocknet, dehnen sich die Salzkörner aus und verursachen zahlreiche kleine Explosionen im Gestein, Ziegel und Marmor und schwächen die Struktur.
«Wir haben sogar in einer Höhe von 12 Metern Salz, das kristallisiert», sagt Maneschi. «Die Katastrophe ist im Innern, wo wir es nicht sehen können. Aber wir können es mit neuer Technologie verfolgen.»
Schäden aus der Vergangenheit, verschlimmert durch die Zeit, sind überall im Dom sichtbar — von brüchigen Marmorbänken bis hin zu Stellen, an denen die Wandverkleidung im Laufe der Jahre weggefressen worden ist. Gaze schützt besonders empfindliche Abschnitte von Bodenmosaiken, die auch unter dem Ansturm von jährlich etwa fünf Millionen Besuchern gelitten haben.
In der vergangenen Woche haben Arbeiter den Marmorboden der Krypta entfernt, der 20 Zentimeter unter dem Meeresspiegel liegt. Jetzt wird untersucht, ob es darin Risse gibt. Insgesamt finden sich in der Basilika 130 verschiedene Marmorarten, manche davon gibt es sonst gar nicht mehr. An allen Ecken und Enden sieht man Kunstschätze wie etwa die Ikone der Madonna Nicopeia, die offenbar 1204 im Zuge des Vierten Kreuzzuges aus Konstantinopel geraubt wurde. Aber als grössten Schatz wertet Tesserin die 8500 Quadratmeter an Mosaiken.
Klimawandel erschwert Vorhersagen
Es mag verrückt anmuten, dass eine derart kostbare Basilika auf dem am niedrigsten liegenden Punkt Venedigs errichtet wurde. Der Platz draussen überflutet, wenn das Wasser 80 Zentimeter steigt, und sind es 88 Zentimeter, dann dringt es in die innere Kirchenvorhalle ein.
Aber damals, als der Dom gebaut wurde, galt der Ort als am sichersten, wie Tesserin erklärt. Das Absinken des Landes im Laufe der Jahrhunderte und der Anstieg des Meeresspiegels hätten das Gebäude verwundbarer gemacht. Ausserdem mache der Klimawandel es schwerer, Hochwasser in Venedig vorauszusagen.
Eine Säule aus kostbarem schwarz-weissen Marmor aus Aquitanien in der inneren Vorhalle weist sichtbare Schäden auf, ihr Fuss ist stark korrodiert. Aber diese Art von Marmor, hochgeschätzt in alten Zivilisationen, kann nirgendwo mehr gefunden werden. «Wenn der Tag kommt, an dem sie (die Säule) fällt, werden wir ihn (den Fuss) mit anderem Marmor ersetzen», sagt Maneschi. «Aber solange sie hält, werden wir es so lassen.»
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Bild: Kapo TG
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Auf den Hund gekommen: Vierbeiner der Indian Railway Protection Force zeigen anlässlich des indischen Nationalfeiertags ihre Kunststückchen.
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Bild: Keystone
Und sie tun es immer noch: In Rio De Janeiro tummeln sich grosse Menschenmengen auf engem Raum am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro. Und das obwohl Brasilien nach wie vor sehr hohe Corona-Fallzahlen hat.
Bild: Bruna Prado/AP/dpa
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Der Rundgang kostet nichts – wer die Schatzkammer sehen möchte, muss 10 Euro Eintritt dafür zahlen, ermässigt 6 Euro.
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