Über drei Jahre hinweg hat ein grosses Forschungsteam – darunter Wissenschaftler der Ecole Polytechnique in Lausanne (EPFL) – an einem neuen Simulationsmodell zu Europas CO2-Ausstoss gearbeitet. Am Freitag wird der «EU Calculator» (EUCalc) vorgestellt.
Damit kann jede und jeder in Echtzeit die verschachtelten Wege in Richtung Treibhausgasreduktion beschreiten. Dabei zeigt sich auch wie stark der Erfolg vom Verhalten jedes Einzelnen abhängt.
14 Forschungsinstitutionen aus Europa haben sich im Rahmen des Projekts daran gemacht, eine detaillierte, auch für Laien anschauliche und wissenschaftlich präzise Simulation zu erstellen. Die EPFL ist Teil des fächerübergreifenden Forschungskonsortiums, das von der EU mit rund 5,3 Millionen Euro unterstützt wurde.
Seit kurzem kann mit dem CO2-Emissions-Rechner eines der zentralen Projektergebnisse unter http://tool.european-calculator.eu online aufgerufen werden. Nachdem der Nutzer in der Simulation definiert hat, ob die Erwärmung unter 1,5- oder Zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau bleiben soll, kann man Europas verbleibendes CO2-Ausstoss-Budget ein Stück weit als Zielparameter einstellen.
Je nach Ambition, mit der die CO2-Reduktion angegangen werden soll, können dann verschiedene Szenarien detailliert durchgespielt werden. Von der Landwirtschaft, über den Verkehr, den Industriesektor bis zum Energieverbrauch von Gebäuden zeigen sich die Auswirkungen auf alle wichtigen Bereiche heruntergebrochen.
Vom Schüler bis zum Politiker
Ende des Monats sollen Interessenten dann selbst in jedem der zahllosen Unterbereiche mehr oder weniger ambitionierte Handlungsoptionen einstellen können. Somit kann in der Simulation in Echtzeit zum Beispiel nachgesehen werden, welche Auswirkungen ein weitgehendes Umstellen auf Holz als Baustoff im Gesamtsystem hätte.
Neben der Verbesserung der CO2-Bilanz im Bausektor ergeben sich dadurch natürlich weniger positive Effekte für Wald oder Biodiversität. So sollen Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung, Wissenschaftler oder Schüler die wahrscheinlichen Auswirkungen ihrer Zielsetzungen auch auf Länderniveau durchspielen können.
Weniger Fleisch nützt mehr als Elektroauto
Eines der zentralen Erkenntnisse des Gesamtprojekts ist für den Forscher, welch grossen Hebel zur CO2-Reduktion die Verhaltensänderung darstellt. Wichtige Stellschrauben sind nämlich die Ernährung – hier vor allem die Reduktion des Fleischkonsums – oder der Individualverkehr.
Ohne eine relativ starke Reduktion des Fleischkonsums kann beispielsweise der landwirtschaftliche Bereich nicht annähernd klimaneutral werden. Würde vom heutigen Stand aus 73 Prozent weniger Fleisch in Europa konsumiert, könnte das den CO2-Ausstoss – abhängig von den jeweiligen Annahmen – um gleich 15 Gigatonnen pro Jahr reduzieren.
Zum Vergleich: Eine komplette Umstellung auf elektrisch betriebene KFZ würde im Jahr 2050 rund 20 Gigatonnen einsparen. Klar sei auch, dass im Gebäude- oder Industriebereich bereits jetzt Massnahmen ergriffen werden müssten, damit sich um 2040 oder 2050 tatsächlich etwas zum Positiven verändert.
Nichts weniger als Bewusstseinsumbildung
Neben der Simulation an sich, sind auch die zugrunde liegenden Überlegungen in wissenschaftlichen Publikationen und Analysen sowie der gesamte Quellcode öffentlich zugänglich.
Unter dem Titel «My2050» wird es auch eine für Lern- und Lehrzwecke vereinfachte Version des Simulationsmodells geben, die auf Jugendliche abzielt. Insgesamt hoffen die Wissenschaftler, damit zur Bewusstseinsbildung für nachhaltigere Lebensstile in Politik und Gesellschaft beizutragen.
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