Wettermacher Soll es der Mensch regnen lassen?

Von Herbert Aichinger

18.8.2022

Der Untersee in Triboltingen bei tiefem Pegelstand am 13. August 2022. 
Der Untersee in Triboltingen bei tiefem Pegelstand am 13. August 2022. 
KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Die Natur ächzt unter der aktuellen Dürreperiode. In Wäldern herrscht Brandgefahr, Seen und Flüsse trocknen aus. Da liegt die Frage nahe, ob wir künstlich für Regen sorgen können.

Von Herbert Aichinger

18.8.2022

Während im Tessin und im Misox starke Regenfälle niedergegangen sind, herrscht in weiten Teilen der Schweiz aufgrund der anhaltenden Dürreperiode akute Waldbrandgefahr. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) weist darauf hin, dass die lange Trockenheit nicht nur natürliche Ökosysteme belastet, sondern auch schwerwiegende Folgen für die Landwirtschaft und die Wasserversorgung der Schweiz hat.

Wegen der Trockenheit mussten in diesem Jahr viele Alpbauern ihre Tiere wegen des Wasser- und Nahrungsmangels bereits wieder ins Tal treiben. Auch Notschlachtungen dürften nicht zu vermeiden sein.

Schilder auf einem Schweizer Grillplatz in Biel weisen auf die hohe Waldbrandgefahr hin.  (KEYSTONE/Adrian Reusser)
Schilder auf einem Schweizer Grillplatz in Biel weisen auf die hohe Waldbrandgefahr hin.  (KEYSTONE/Adrian Reusser)
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Seit jeher haben Menschen den Wunsch, den «Wettergott» gnädig zu stimmen – in alten Zeiten durch Fruchtbarkeitstänze oder Opferrituale. Im Mittelalter war man zudem der Meinung, dass das Wetter von Hexen gemacht werden würde.

Seit dem 20. Jahrhundert beschäftigen sich auch immer wieder Wissenschaftler*innen in aller Welt mit der Frage, wie sich Regen künstlich erzeugen oder schwere Unwetter verhindern liessen.

Der «Wetterdiktator» aus der Schweiz

Auch in der Schweiz gab es solche Versuche – etwa durch den Pyrotechniker Karl Müller aus Kreuzlingen. Dieser hatte eine mit Silberjodid gefüllte Hagelrakete entwickelt, mit deren Hilfe Gewitterwolken «geimpft» wurden: Die Silberjodid-Partikel wirkten dabei als «Kondensationskeime», um die Wolken gezielt abregnen zu lassen oder Hagel zu vermeiden.

Die Technik stiess besonders bei den Landwirten auf positives Echo, und es bildeten sich in der Folge zahlreiche Hagelschützenvereine.

Der Pyrotechniker Karl Müller aus dem schweizerischen Kreuzlingen mit Bauteilen der von ihm konstruierten Hagelrakete.  (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
Der Pyrotechniker Karl Müller aus dem schweizerischen Kreuzlingen mit Bauteilen der von ihm konstruierten Hagelrakete.  (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
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Für Ernüchterung sorgte jedoch der «Grossversuch IV» der ETH, welcher von 1977 bis 1983 im Napfgebiet durchgeführt wurde. Man beschoss dabei Gewitterwolken systematisch mit russischen «Oblako»-Hagelraketen – um festzustellen, dass die Methode nicht die erhoffte Wirkung zeigte.

2017 stellte die Schweizerische Vereinigung für Hagelbekämpfung schliesslich ihre Arbeit ein, nachdem sich bereits die meisten Hagelschützenvereine aufgelöst hatten.

Karl Müllers Hagelrakete verlor demnach in den Folgejahren an Zuspruch, weil die Wirksamkeit der Cloud-Seeding-Methode in der ETH-Studie nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.

Im Grossversuch IV testet die ETH Zürich 1977 russische «Oblako»-Raketen zur Hagelabwehr. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
Im Grossversuch IV testet die ETH Zürich 1977 russische «Oblako»-Raketen zur Hagelabwehr. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
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Cloud Seeding mit Flugzeugen

In den USA befasste sich der Chemie-Nobelpreisträger Irving Langmuir in den 1940er- und 1950er-Jahren mit dem Thema Cloud Seeding. In diesen Experimenten wurden Flugzeuge eingesetzt, um Wolken mit einer Salzlösung zu «impfen». Die Salzpartikel ziehen den Wasserdampf aus der Luft an und führen zu einer Tröpfchenbildung – bis die Tropfen schwer genug sind, um als Regen auf den Boden niederzugehen.

Mit Regen gegen Dürre und Luftverschmutzung

Lange Dürreperioden, die den Landwirten in Thailand zu schaffen machten, führten 1955 zur Gründung des Thailand Royal Rainmaking Project und 1971 zur Einrichtung des Artificial Rainmaking Research and Development Project im thailändischen Landwirtschaftsministerium.

Cloud Seeding mit hygroskopischen Chemikalien wird in Thailand jedoch nicht nur für die Beregnung landwirtschaftlicher Nutzflächen eingesetzt. 2018 testete man das Verfahren über der Metropole Bangkok, um mit künstlichem Regen den Smog zu bekämpfen.

Gutes Wetter für die Partei

Sehr aktiv in der Erforschung von Methoden zur Wettermanipulation ist auch China – dort auch mit politischem Hintergrund. Bereits während der Olympischen Spiele in Peking 2008 nutzte man Cloud Seeding, um zu den Eröffnungsfeierlichkeiten für gutes Wetter zu sorgen.

Berichten zufolge kam die Technik auch anlässlich der Hundertjahr-Feier der Chinesischen Kommunistischen Partei auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juli 2021 zur Anwendung.

Schönes Wetter zur Eröffnungsfeier der Olympiade 2008 in Beijing. Mit Hilfe von Cloud Seeding  wollte man sicherstellen, dass die Zeremonie nicht durch Regenfälle gestört wird. Im Bild: der Schweizer Fahnenträger Roger Federer.  EPA/BERND THISSEN
Schönes Wetter zur Eröffnungsfeier der Olympiade 2008 in Beijing. Mit Hilfe von Cloud Seeding  wollte man sicherstellen, dass die Zeremonie nicht durch Regenfälle gestört wird. Im Bild: der Schweizer Fahnenträger Roger Federer.  EPA/BERND THISSEN
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Wettermachen in der Wüste

Als Wüstenstaat haben die Vereinigten Arabischen Emirate permanent mit Wasserknappheit und Hitze zu kämpfen. Auch dort setzt man deshalb auf den Einsatz von Wetterflugzeugen und Drohnen, die unter den Wolken Silberjodid-Partikel ausbringen, um die schlimmsten Hitzewellen etwas abzumildern.

Wasser als Waffe

Wettermanipulation spielt auch seit Langem in den strategischen Überlegungen von Militärs eine Rolle: Wie wäre es, mit Überschwemmungen den Vormarsch feindlicher Truppen aufzuhalten? Oder durch Dürren gezielt Lebensmittelnotstände auszulösen?

Entsprechende Experimente gab es bereits vor vielen Jahrzehnten. So steht die britische Royal Air Force in Verdacht, mit der «Operation Cumulus» 1952 in Lynmouth, Devon, eine Flutkatastrophe ausgelöst zu haben, bei der 34 Menschen starben und mehrere Hundert Bewohner obdachlos wurden.

Die Amerikaner testeten meteorologische Kriegsführung 1967 im Vietnamkrieg, um in der Region des Ho-Chi-Minh-Pfads starke Regenfälle zu provozieren. Das Experiment «Popeye» erwies sich jedoch als weitgehend erfolglos.

Im Jahr 1977 bereiteten die Vereinten Nationen den militärischen Wetter-Allmachtsfantasien ein vorläufiges Ende: Mit der Environmental Modification Convention verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten, Wettermanipulationen nicht als Mittel der Kriegsführung einzusetzen.

Regen künstlich erzeugen – funktioniert das?

Auch wenn in aller Welt seit Jahrzehnten daran geforscht wird, wie sich Regen künstlich steuern lässt, ist es bis heute kaum möglich, die Wirksamkeit der eingesetzten Technologien empirisch nachzuweisen. Die Unberechenbarkeit von Wetterphänomenen macht es schwierig, hier zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen.

Ebenfalls problematisch: Menschliche Eingriffe in das Gleichgewicht der Natur haben meist unabsehbare Folgen und können ganze Ökosysteme ins Wanken bringen. Und Regen, der vielleicht künstlich über einer Grossstadt erzeugt wird, verstärkt womöglich in einer nahen, landwirtschaftlich genutzten Region die Wasserknappheit.

Und doch: Versuche zeigen, dass es möglich ist, Regen durch Wettermanipulation künstlich zu erzeugen. Wie das Resultat solcher Aktionen ausfällt, lässt sich jedoch nach wie vor nur schwer steuern. So löste China im Jahr 2009 im Kampf gegen lang anhaltende Trockenheit 2009 in Peking ungewollt heftigen Schneefall aus.

Fazit: Bevor Menschen als «Wettermacher» für das richtige Klima sorgen können, wird wohl noch viel Forschungsarbeit nötig sein.