Dauerbeschallung «Last Christmas» – Wer im Handel arbeitet, muss viel ertragen

dpa/tafi

30.11.2019

Zur Weihnachtszeit klingeln die Kassen – und die Ohren der Verkäufer und Verkäuferinnen, die am Arbeitsplatz oft wochenlang die gleichen Songs hören müssen.
Zur Weihnachtszeit klingeln die Kassen – und die Ohren der Verkäufer und Verkäuferinnen, die am Arbeitsplatz oft wochenlang die gleichen Songs hören müssen.
KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI

Kunden können einfach davon laufen, wenn beim Weihnachtseinkauf zum fünften Mal «Last Christmas» gespielt wird. Verkäufer dagegen müssen die Dudelei ertragen.

Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom letzten Weihnachten, als jemand sein Herz verschenkte, aber der Empfänger es direkt am nächsten Tag weiter verschenkte? Zigfach schallen die Zeilen des Weihnachts-Klassikers «Last Christmas» Jahr für Jahr durch Radios, Fussgängerzonen und Geschäfte.

Kaum jemand kann dem entfliehen, besonders betroffen sind jedoch Verkäufer im Handel. Die laute Dauerbeschallung könne zur Gefahr für die Gesundheit werden, warnt etwa die deutsche Gewerkschaft Verdi. Hoher Blutdruck, Stress und ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten könnten die Folge sein.

Lärmgrenze utopisch

«Gesundheit, Wohlbefinden und Sicherheit der Arbeitnehmenden dürfen durch Lärm, Erschütterungen und Vibrationen nicht beeinträchtigt werden», heisst es in der entsprechenden Verordnung (PDF-Download) des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zum Arbeitsgesetz. Der Lärmpegel in Läden darf demnach nicht die Grenze von 65 Dezibel überschreiten – das entspricht etwa einem Fernseher in Zimmerlautstärke. In der stressigen Weihnachtszeit mit vollen Geschäften klingt das nach Utopie.



In Deutschland etwa gibt es «eigentlich keine grossen Ketten, die komplett auf die Beschallung verzichten», sagt Verdi-Sprecherin Eva Völpel. Besonders laut sei die Musik oft in Ketten für junge Mode, wo «nochmal mehr der Beat aufgedreht» werde.

Wie oft und wie sehr die Lautstärkegrenzen auch in der Schweiz tatsächlich überschritten werden, ist kaum nachweisbar. Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Düsseldorfer Management-Hochschule WHU spielt das ohnehin kaum eine Rolle. «Im Zweifel gehen die Kunden vor», sagt Fassnacht – und für diese hätten Händler einen entscheidenden Anteil daran, Weihnachtsstimmung – und damit auch Konsumfreudigkeit – zu verbreiten.

Klassiker variieren

Da ohnehin zunehmend online geshoppt werde, bestehe bei Kunden auch nicht die Gefahr des Überdrusses. «Man kann den Leuten gar nicht so sehr auf die Nerven gehen, weil sie stationär heute weniger da sind», sagt der Experte.



Die Frequenz von Weihnachtssongs wie «Last Christmas» oder «All I Want for Christmas Is You» wird im Advent sicher wieder zunehmen. Aber müssen es wirklich immer die gleichen Songs sein? «Wenn Sie etwas Unbekanntes da aufspielen, was nicht an Weihnachten erinnert, dann ist es auch nicht gut», meint Fassnacht. «Zehn Klassiker, that's it.» Es sei aber möglich, auf neue Variationen altbekannter Titel zu setzen – ein bisschen Kreativität müsse erlaubt sein.

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