Kilauea-Ausbruch bedroht Existenzen Lava-Touristen sollen Kleinstadt auf Hawaii retten

AP

27.7.2018

Reiseveranstalter und Ladeninhaber des hawaiianischen Vulkanstädtchens Pahoa hoffen auf Lava-Touristen, um ihre Umsatzeinbussen nach dem jüngsten Ausbruch auszugleichen. Doch die Behörden denken vor allem an die Sicherheit.

Die Bilder vom Ausbruch des Kilauea auf Hawaii gehen um die Welt – fast jeder kennt die faszinierenden Aufnahmen rotglühender Lavaströme. Aber die Bewohner und Besucher vor Ort dürfen sie nicht sehen, jedenfalls nicht in natura. Denn die Behörden haben das Katastrophengebiet weiträumig abgeriegelt – wegen Sicherheitsbedenken. Ladeninhaber, Gastronomen und Reiseveranstalter der Insel Big Island bangen nun um ihre Existenz – und fordern einen Aussichtspunkt für Besucher.

Dass die Sorge der Bezirksverwaltung berechtigt ist, zeigt ein Vorfall vor der Küste, bei dem Lavagestein von der Grösse eines Basketballs durch das Dach eines Touristenbootes schlug - ins Meer fliessende Lava hatte eine Explosion verursacht. Eine Frau brach sich ein Bein, fast zwei Dutzend andere erlitten kleinere Verbrennungen und Schürfwunden.

Die Entwicklungsdirektorin des Bezirks Hawaii, Diane Ley, plant nach eigenen Angaben seit fast zwei Monaten einen Aussichtspunkt in Abstimmung mit US-Forschern und ihrem Zivilschutzbeauftragten. Ley sagt, das Bootsunglück unterstreiche, wie wichtig es sei, Vorsicht walten zu lassen. «Das ist eine Herausforderung – einen Ort zu finden, der sicher ist vor Gefahren und Emissionen des Vulkans und von dem aus gleichzeitig viele schauen können», sagt sie.

«Unsere Stadt stirbt sehr schnell und sehr dramatisch»

Dennoch steigt mit sinkenden Besucherzahlen der Druck von Händlern oder Reiseführern auf der Insel, seit der Kilauea im Mai ausbrach, Lava in ein Wohnviertel strömte und dabei viele Häuser verbrannte. Besonders hart traf es das Zentrum von Pahoa, nur ein paar Meilen entfernt von der Stelle, an der sich ein Strom flüssigen Vulkan-Gesteins ins Meer ergiesst.

Das ländliche Städtchen ist das Tor zum Hawaii Volcanoes National Park, normalerweise die beliebteste Touristenattraktion des Staates, der nun wegen Gefährdung von Gästen und Personal auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde. Noch im April konnten Besucher geschmolzenes Gestein im Lavasee des Parks sehen und zu entlegenen Stellen pilgern, um flüssige Lava zu sehen.

Der Ausbruch des hawaiianischen Vulkans Kilauea bedroht die Existenz einer ganzen Kleinstadt: Weil Touristen ausbleiben, gehen die Geschäfte schlecht.
Der Ausbruch des hawaiianischen Vulkans Kilauea bedroht die Existenz einer ganzen Kleinstadt: Weil Touristen ausbleiben, gehen die Geschäfte schlecht.
Keystone

Nach Ansicht von Russell Ruderman, Mitglied des Senats von Hawaii, sollte der Bezirk dringend ein entsprechendes Aussichtsgelände ausweisen, um wieder Gäste nach Pahoa zu bringen. «Unsere Stadt stirbt sehr schnell und sehr dramatisch», sagt Ruderman, der dort selbst einen Naturkostladen besitzt. «Wenn wir die Nachricht verbreiten könnten, dass der Betrieb in unserer Stadt läuft, dann könnten wir sie noch retten.»

Zurzeit kann die Lava nur vom Hubschrauber oder Boot aus für etwa 250 Dollar (215 Euro) pro Person beobachtet werden. Für das Gebiet, in dem Lava aus dem Boden strömt, wurde eine Zwangsräumung angeordnet. Anwohner dürfen ihre Häuser betreten, doch allen anderen ist der Zutritt versperrt, mit Ausnahme von Wissenschaftlern, Sicherheitskräften wie der Nationalgarde und einer Handvoll Medienleute. Bei Verstössen greifen die Behörden hart durch, bisher wurden mehr als 80 Menschen wegen Aufenthalt im Katastrophengebiet vorgeladen.

100 Kubikmeter Lava pro Tag

Der Kilauea fasziniert Besucher immer neu - in den vergangenen 35 Jahren brach er immer wieder aus. Als im Mai 1990 Lava langsam die Stadt Kalapana unter sich begrub, kamen rund 5000 Menschen pro Tag zu einem offiziellen Aussichtspunkt, um erkaltete Lava zu sehen, wie der «Honolulu Advertiser» berichtet. Nun haben Mitarbeiter der Bezirksverwaltung frisches Lavagestein bereit gelegt, damit Touristen zumindest etwas anfassen können.

Ley zufolge verläuft der Ausbruch dieses Mal anders als in der Vergangenheit, als die Lava durch unbewohntes Land strömte. Auch spuckt der Vulkan nun viel mehr Lava aus – pro Sekunde bis zu 100 Kubikmeter, verglichen mit rund vier Kubikmeter vor zwei Jahren. Wann der Bezirk ein Aussichtsgelände – etwa für Reisebusse - einrichten wird, kann Ley nicht sagen. Vielleicht würden verschiedene Orte ausgewählt und dann je nach Bedingungen geöffnet.

John Tarson ist Inhaber des Reiseveranstalters Epic Lava Tours. Ihm machen die aktuellen Zutrittsbeschränkungen schwer zu schaffen: «Sie haben meinem Unternehmen praktisch den Boden unter den Füssen weggezogen. Und da ist nichts, was wir tun können, um es zu retten, es sei denn, sie hören auf, Leute zu kriminalisieren, die Lava sehen wollen», sagt er. Tourenführer wie er hätten jahrelange Erfahrung und könnten sichere Lava-Touren anbieten, betont er. Stattdessen stornierten seine Kunden Buchungen bis ins nächste Jahr, weil Touren ins Lava-Gebiet verboten seien.

Bis zu 90 Prozent Umsatzeinbussen

Matthew Purvis von der Mainstreet Pahoa Association schätzt, dass Restaurants und Läden in Pahoa 50 bis 90 Prozent ihres Umsatzes verloren haben, weil viele Bewohner ihre Häuser aufgeben mussten und weniger Touristen kommen. Am schlimmsten betroffen seien Souvenirshops. Seine Bäckerei habe etwa die Hälfte des Umsatzes eingebüsst.

Nach Ansicht der Bezirksrätin Eileen O'Hara sollten die Behörden Shuttle-Busse vom Zentrum Pahoas nach Leilani Estates betreiben, wo die glühenden Gesteinsmassen aus dem Boden quellen. Joy San Buenaventura, Mitglied im Repräsentantenhaus von Hawaii, will die Touristen mit Atemmasken gegen giftige Vulkangase ausrüsten, damit sie aus den Shuttles auch aussteigen können. Sie drängt auf schnelle Entscheidungen, «weil die Unternehmen leiden».

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