Wettbüro-Mord in Berlin Lebenslang für acht Rocker der Hells Angels

SDA

1.10.2019 - 18:17

Bereit zum Abtransport der verurteilten Hells Angels: Polizeiautos vor dem Landgericht in Berlin.
Bereit zum Abtransport der verurteilten Hells Angels: Polizeiautos vor dem Landgericht in Berlin.
Source: KEYSTONE/EPA/CLEMENS BILAN

In einem der deutschlandweit grössten Rocker-Prozesse hat das Berliner Landgericht acht der zehn Angeklagten zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt.

Sieben von ihnen wurden am Dienstag des gemeinschaftlichen Mordes schuldig gesprochen. Ein 35-Jähriger, der als Rockerchef der Hells Angels gilt und die tödlichen Schüsse in einem Wettbüro gemäss dem Urteil in Auftrag gegeben hat, wurde wegen Anstiftung zum Mord verurteilt.

Ein weiterer Angeklagter wurde ebenfalls des Mordes schuldig gesprochen, bekam aber wegen seiner Hilfe bei der Aufklärung des Falls mit zwölf Jahren eine niedrigere Strafe. Der zehnte Angeklagte erhielt eine geringe Strafe.

13 teils vermummte Männer waren am 10. Januar 2014 in das Wettcafé im Berliner Stadtteil Reinickendorf eingedrungen. Der Mann an der Spitze feuerte im Hinterzimmer mit einer Pistole auf das Opfer. Sechs Kugeln trafen, der Mann starb noch im Café. Der Anschlag vor laufenden Überwachungskameras soll eine Rache für eine Schlägerei mit einem verletzten Hells-Angels-Rocker gewesen sein.

Langer Prozess

Der Prozess dauerte knapp fünf Jahre, das Urteil wurde am 300. Verhandlungstag gefällt. Mehr als 370 Zeugen und Sachverständige waren gehört worden. Die meisten der deutschen und türkischen Angeklagten sitzen seit mehr als fünfeinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Einige schwiegen im Prozess, andere bestritten einen Tötungsauftrag.

In einem rechtlichen Hinweis des Landgerichts hiess es im Vorjahr, das Landeskriminalamt habe gewusst, dass ein solcher Mord passieren könnte, jedoch keine ausreichenden Gegenmassnahmen ergriffen. Die Staatsanwaltschaft leitete daher Ermittlungen gegen drei Beamte wegen Totschlags durch Unterlassen ein. Die Ermittlungen dauern an, wie eine Sprecherin sagte.

Immer wieder Strafverfahren

Die Hells Angels stehen immer wieder im Zentrum von Strafverfahren wie in dem am Dienstag in Berlin. Erst im Juni verurteilte das Leipziger Landgericht vier Rocker wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Haft. In ganz Deutschland gehen Behörden regelmässig gegen Rockergruppen vor, viele Bundesländer verboten in den vergangenen Jahren örtliche Ableger der Hells Angels.

Die Rockergruppe entstand 1948 aus früheren Mitgliedern der US-Luftwaffe und war Vorbild für alle danach entstandenen Rockergruppierungen. Heute sind die Rocker bekannt für ihre schweren Harley-Davidson-Maschinen und ihre als Kutten bezeichneten Lederjacken.

Der erste deutsche Ableger gründete sich 1973 in Hamburg. Weltweit gibt es Hells-Angels-Ableger in über 50 Ländern, darunter auch in der Schweiz. Gegen die Schweizer Rocker ermittelte die Bundesanwaltschaft fast zehn Jahre lang, allerdings mit bescheidenem Erfolg. In den Niederlanden sind die Aktivitäten des Klubs verboten.

Die regionalen Untergruppen der Hells Angels werden als Charter bezeichnet – so handelt es sich bei den Angeklagten im Berliner Prozess um Mitglieder des Charters «Hells Angels MC Berlin City». Die Charter haben starke nationale und internationale Bindungen in der Gesamtorganisation, auch wenn die Ortsgruppen weitgehend unabhängig agieren können.


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