Libanesische Bauern hoffen auf Legalisierung von Cannabis

AP

2.8.2018

Mayez Shrief, 65, auf seinem Cannabis-Feld beim Dorf Yammoune,.
Mayez Shrief, 65, auf seinem Cannabis-Feld beim Dorf Yammoune,.

Es ist ein Millionen-Geschäft – das Haschisch aus der Bekaa-Ebene gilt als eines der besten der Welt. Bisher profitieren jedoch vor allem Kriminelle. Einige Politiker in Beirut wollen erreichen, dass die Einnahmen bald dem ganzen Land zugutekommen.

Umgeben von hohen Bergen bestellen die Männer ihre Felder. Was sie anbauen, ist viel wert. Trotzdem sind die meisten von ihnen arm. Denn ihre Arbeit ist illegal. Weil sie mit Obst oder Gemüse noch viel weniger verdienen würden, haben sich einige Farmer im Libanon auf Cannabis spezialisiert. Der Preis für die Ernte wird dabei von Drogenhändlern festgelegt. Eine Initiative im Parlament zielt nun darauf ab, diese auszuschalten. Der Gewinn soll stattdessen in der Staatskasse landen – und, zu einem grösseren Teil als bisher, in den Händen der Bauern.

Der Libanon zählt zu den führenden Produzenten von Haschisch weltweit. Nur in Marokko und in Afghanistan werden laut UN-Angaben noch grössere Mengen der Droge produziert. Das wichtigste Anbaugebiet des Landes ist die fruchtbare Bekaa-Ebene. Dank des trockenen Wetters, der hohen Lage und der örtlichen Quellen gilt die hier erreichte Qualität als nahezu unschlagbar.

Heikler Anbau

Für die Bewohner der Region ist der Anbau allerdings äusserst heikel – nicht nur, weil sie darauf angewiesen sind, Geschäfte mit kriminellen Banden zu machen. Immer wieder werden sie auch von Sicherheitskräften überrascht, die ihre Felder zerstören. Beides könnte bald ein Ende haben. Ein neuer Gesetzentwurf sieht die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken vor. Damit wäre auch ein regulärer Export möglich.

Gerade für die wirtschaftlich schwache Bekaa-Ebene wäre die Initiative eine Chance. Aus Sicht der Befürworter könnten viele neue Jobs entstehen. Auch die Sicherheitslage liesse sich mit offiziellen Regeln für den Anbau womöglich verbessern – bisher ist die unweit der syrischen Grenze gelegene Region für ihre Gesetzlosigkeit berüchtigt. «Ich möchte eine Lösung finden für das, was da los ist», sagt der aus der Bekaa-Ebene stammende Abgeordnete Antoine Habchi. Der vergangene Woche von ihm vorgelegte Gesetzentwurf solle «den Bauern ermöglichen, in Würde zu leben».

Der Anbau dürfte den Plänen zufolge nur unter strenger Aufsicht erfolgen. Private Pharmaunternehmen würden die Samen und Setzlinge zur Verfügung stellen. Während der Ernte würden die Pflanzen eines jeden Bauern genau abgezählt, um Verkäufe auf dem Schwarzmarkt zu verhindern. Die Grösse der Felder wäre ebenfalls genau festgelegt. Nach Angaben von Habchi sind darüber hinaus auch Massnahmen zur Suchtbehandlung und -vorbeugung geplant.

Diskussion über Legalisierung von Studie befeuert

Bis es im Parlament zu einer Entscheidung kommt, könnten noch Monate vergehen – zumal das Projekt nicht unumstritten ist. Um den internationalen Drogenhandel einzudämmen, hatten lange Zeit etwa auch die USA den Kampf gegen den Anbau im Libanon unterstützt. Weite Teile der Bekaa-Ebene stehen zudem unter Kontrolle der Hisbollah, die gemeinsam mit Verbündeten auch über eine Mehrheit im Parlament verfügt. Offiziell lehnt die radikal-islamische Gruppe zwar die Herstellung und den Konsum jeglicher Drogen ab. Die USA werfen der Hisbollah aber vor, selbst am Drogenhandel beteiligt zu sein.

Die Diskussion über eine Legalisierung wurde unter anderem durch eine von der libanesischen Regierung in Auftrag gegebene Studie der Beratungsfirma McKinsey befeuert. Darin wurde der Export von Haschisch als eine der Möglichkeiten zur Stärkung der nationalen Wirtschaft genannt. Ob tatsächlich neue Gelder in die Staatskasse fliessen würden, ist aber fraglich. Nach Einschätzung von Louis Hobeika, Ökonom an der libanesischen Notre-Dame-Universität, würde der potenzielle Erlös durch die ausufernde Korruption der regierenden Elite zunichtegemacht. «Die Massnahme würde vor allem dazu dienen, die politische Mafia im Libanon zu finanzieren», sagt er.

Das wichtigste Cannabis-Anbaugebiet im Libanon ist die fruchtbare Bekaa-Ebene.
Das wichtigste Cannabis-Anbaugebiet im Libanon ist die fruchtbare Bekaa-Ebene.
Keystone

Zu einer internationalen Hochburg des Drogenanbaus wurde die Bekaa-Ebene während des Bürgerkriegs von 1975 bis 1990. Der Verkauf von Opium und Cannabis erreichte damals eine Grössenordnung von etwa 500 Millionen Dollar pro Jahr (nach heutigem Kurs knapp 430 Millionen Euro). Nach dem Krieg gingen die Behörden verstärkt gegen den illegalen Anbau vor. Doch als 2011 der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien ausbrach, verschoben sich die Prioritäten der libanesischen Sicherheitskräfte – und die Drogenwirtschaft erlebte einen neuen Boom.

Fast überall Cannabis-Pflanzen zu sehen

Bei einer Fahrt durch die Dörfer im Osten des Landes sind heute fast überall Cannabis-Pflanzen zu sehen. In einigen Fällen sind die Checkpoints der Soldaten nur wenige hundert Meter entfernt. Dass die Behörden oft beide Augen zudrücken, liegt auch daran, dass viele Bewohner der Region schwer bewaffnet sind. Wenn Bulldozer anrücken, um illegale Plantagen zu zerstören, werden sie zum Teil mit Maschinengewehrfeuer oder gar mit Panzerabwehrraketen vertrieben.

Am Montag vergangener Woche umstellten Regierungstruppen ein Grundstück in dem Ort Hamudije, der von dem Drogenboss Ali Sejd Ismail kontrolliert wurde. Es folgte ein stundenlanges Gefecht, bei dem acht Menschen ums Leben kamen, darunter auch Ismail.

Dass der illegale Export enorme Summen abwirft, steht ausser Frage: Kaum eine Woche vergeht, in der die Behörden nicht die Beschlagnahme von Drogen am Beiruter Flughafen oder in den libanesischen Seehäfen melden.

Der Import von Cannabis – zur medizinischen Nutzung – ist in mehreren Ländern Europas und Südamerikas sowie in Australien und Kanada legal. Das lässt viele Bauern in der Bekaa-Ebene hoffen. Einige hätten auf Drängen der Regierung versucht, auf Tomaten, Kartoffeln oder Äpfel umzuschwenken, sagt der 65-jährige Majes Schreif, der schon seit Jahrzehnten auf den Cannabis-Feldern der Region arbeitet. Meist hätten sie dabei aber nur Geld verloren.

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