Vorwurf Menschenschmuggel Prozess gegen Flüchtlingshelfer: Salam Aldeen droht Gefängnisstrafe

jfk

7.5.2018

Salam Aldeen twitterte dieses Bild von einer seiner Rettungsaktionen auf Lesbos.
Salam Aldeen twitterte dieses Bild von einer seiner Rettungsaktionen auf Lesbos.
Bild: Twitter/Salam Aldeen

Auf Lesbos ist der aus dem Irak stammende Däne kein Unbekannter: Salam Aldeen soll auf der ägäischen Insel mehrere tausend Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet haben. Doch die griechische Justiz will den 35-Jährigen hinter Gittern sehen. Heute beginnt der Prozess. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft wegen Menschenschmuggels.

Ab Herbst 2015 war Aldeen mit der gemeinnützigen dänischen Organisation «Team Humanity» auf Lesbos im Einsatz. Zur Hochphase der Flüchtlingskrise erreichten in Booten täglich hunderte Menschen die Insel, die wenige Kilometer vor dem türkischen Festland liegt. Aldeen mietete dem «Focus» zufolge mit anderen Helfern ein Boot an, zog Schiffbrüchige, mitunter auch Leichen aus dem Wasser,  versorgte die Ankömmlinge mit dem Lebensnotwendigen.

«Wir wollten nur helfen», erzählte der irakisch-dänische Unternehmer bei einer Veranstaltung der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin im April. Im Januar 2016 kam es zu einem einschneidenden Vorfall. Alarmiert durch den nächtlichen Hilferuf einer Flüchtlingsgruppe per Whatsapp soll sich Aldeen mit vier Mitstreitern aufgemacht haben, nach zwei überfüllten und in Seenot geratenen Booten zu suchen.

Die zuvor benachrichtigte Küstenwache soll nichts zur Rettung der Flüchtlinge unternommen haben mit Verweis auf die nicht genau bekannte Lage der vom Kentern bedrohten Boote. Stattdessen brachte sie auf dem Wasser das Boot mit den freiwilligen Helfern auf und verhaftete die fünf Männer. Der Vorwurf lautete, sie hätten versucht, Menschen aus der Türkei nach Griechenland zu schmuggeln.

Gegen eine Kaution von 10'000 Euro kam Aldeen auf freien Fuss. Doch anstatt um Griechenland einen grossen Bogen zu machen, will der Angeklagte dem heute beginnenden Prozess beiwohnen. Wenn es ein Verbrechen sei, Leben zu retten, dann sei er eben ein Verbrecher, wie sich Aldeen bei der Veranstaltung in Berlin äusserte. Nach Angaben des «Team Humanity» drohen ihm bis zu zehn Jahren Haft. 

Umstrittene Strategie der Abschreckung

Die internationale Rechtslage ist komplex und es ist unklar, ob es zu einer Verurteilung kommt. Dass Flüchtlingshelfer allein schon für den Versuch, Menschen sicher an Land zu bringen, strafrechtlich belangt werden können, ist nach Ansicht von Experten ein Auswuchs der Abschreckungsstrategie der EU. Nicht nur den Migranten soll die Aussicht auf ein besseres Leben in Europa vergällt werden, auch hilfsbereite Freiwillige sollen davon abgehalten werden, deren Reise und Ankunft erträglicher zu machen.

Es ist höchst umstritten, ob diese Strategie auf die Zahl der Flüchtlinge einen Einfluss hat oder nicht vielmehr die Situation in den Herkunftsländern ausschlaggebend ist. So liessen sich Menschen, die grundsätzlich ihr Leben für eine Flucht aufs Spiel setzen, allein von einer hartherzigeren Haltung der Zielländer nicht abschrecken.

In Helferkreisen allerdings sind die Auswirkungen der medienwirksamen Verhaftung Aldeens und seines Teams spürbar. Es hätten sich Kollegen gemeldet, die ein Engagement bei der Seenotrettung nun nicht mehr wagen würden. Und es seien auf dieser Route nach der erzwungenen Beendigung der Freiwilligenhilfe auch wieder Menschen ertrunken. Aldeen zieht daraus den Schluss, seine humanitäre Arbeit fortsetzen zu wollen. Aber nun entscheidet zuerst ein griechisches Gericht über die Zukunft des unbeirrbaren Flüchtlingshelfers.

Droht uns weit grössere Flüchtlingskrise?
Bilder des Tages
Zurück zur Startseite