KindesmisshandlungQuäl-Eltern müssen sich in Zürich vor Gericht verantworten
sda
1.9.2022 - 05:04
Heute Donnerstag müssen sich vor Bezirksgericht Zürich ein 42-jähriger Vater und seine 41-jährige Ehefrau verantworten. Gemäss Anklage quälten sie die leibliche Tochter des Mannes während Jahren mit einem «grausam-sadistischen Erziehungs- und Strafsystem».
Keystone-SDA, sda
01.09.2022, 05:04
01.09.2022, 07:12
SDA/sob
Auf 15 Seiten werden in der Anklageschrift die «Erziehungsmethoden» des Paars wiedergegeben: Die Misshandlungen begannen, als der Vater das alleinige Sorgerecht für die Tochter übernahm und mit seiner neuen Frau und deren Tochter aus erster Ehe sowie einem gemeinsamen, dritten Kind zusammenzog.
Gemäss Staatsanwältin führte der Deutsche ein «Erziehungsregime mit körperlichen Strafen, Züchtigungen und seelischen Misshandlungen» ein. Ziel war es offenbar, der Tochter aus erster Ehe zu zeigen, dass sie «nicht zur neuen Familie gehöre».
Weil der Vater seine Tochter «nicht mehr sehen wollte», durfte sie etwa ihr Zimmer nicht mehr verlassen, sobald er in der Wohnung war. Ihre ganze Freizeit, die Wochenenden und die Schulferien sass das Mädchen deshalb in seinem Zimmer, falls der Vater zuhause war.
Ein «Lach-Verbot» am Familientisch
Am Familientisch erhielt sie zu Beginn ein «Lach-Verbot», schliesslich durfte sie gar nicht mehr am Tisch sitzen, sondern musste während acht Jahren im Zimmer essen. In die Familienferien wurde sie nicht mitgenommen.
Als das Mädchen langsam in die Pubertät kam, duschten Vater und Stiefmutter es fast täglich kalt und siedend heiss ab. Dabei fesselten sie es mit Klebeband und schubsten es herum, so dass es stolperte. Vater und Stiefmutter hätten es dann ausgelacht.
Entkalker über den Kopf geleert
Der Vater schmierte seiner Tochter auch Katzenkot ins Gesicht und schüttete ihr mehrmals scharfen Entkalker über den Kopf. Die oberste Hautschicht auf einer Gesichtshälfte wurde dadurch weggeäzt. In der Kopfhaut klaffte ein Loch so gross wie ein Fünfliber.
Während Jahren verprügelte der Vater seine Tochter auch, mit Rüstbrettchen und Besen. Statt im Kinderzimmer musste die Tochter irgendwann in einer Abstellkammer auf einer Matratze schlafen. Nachbarn durften nicht einmal wissen, dass sie existierte.
Stiefmutter spornte den Ehemann an
Gemäss Anklageschrift war die Stiefmutter selber auch Täterin: Teilweise spornte die Schweizerin ihren Mann zu den Misshandlungen an und machte selber mit. Einige Male stoppte sie ihn zwar, eine Hilfe war sie dem Mädchen aber nicht. Als es anfing, sich am Unterarm zu ritzen, zeigte ihr die Stiefmutter die richtige Schnittrichtung.
In der Schule fing die Tochter an, sich absichtlich seltsam zu verhalten. Irgendjemand sollte auf ihre Not aufmerksam werden, ohne dass sie selber etwas sagen müsste. So wühlte sie etwa im Abfall nach Essen, wie es in der Anklage heisst.
Acht Umzüge in sechs Kantonen
Allerdings schritten die Behörden erst nach acht Jahren ein, in Zürich, weshalb der Fall auch dort vor Gericht kommt. Weshalb das Kind in den Jahren zuvor sich selbst überlassen war, obwohl es immer wieder mit blauen Flecken zur Schule ging, geht aus der Anklageschrift nicht hervor.
Erschwerend dürfte gewesen sein, dass die Familie innerhalb von acht Jahren acht Mal umzog und dabei in sechs verschiedenen Kantonen wohnte.
Die Staatsanwältin verlangt für Vater und Stiefmutter Schuldsprüche wegen schwerer Körperverletzung und mehrfacher Freiheitsberaubung. Das geforderte Strafmass will sie erst am Prozess bekannt geben. Die Tochter leidet heute unter depressiven Episoden und einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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