Ringier vor Gericht Der «Blick» soll Spiess-Hegglin Gewinn herausgeben

rl, sda

30.6.2022 - 10:35

Die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin im Januar 2022 nach der Verhandlung im Zuger Kantonsgericht. 
Die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin im Januar 2022 nach der Verhandlung im Zuger Kantonsgericht. 
KEYSTONE/Urs Flüeler

Das Schweizer Medienunternehmen Ringier muss vor dem Zuger Kantonsgericht eine Niederlage einstecken. Das Gericht gibt der ehemaligen Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin recht. Der «Blick» hat in mehreren Artikeln ihre Persönlichkeit verletzt.

Keystone-SDA, rl, sda

Der «Blick» hat in mehreren Artikeln widerrechtlich die Persönlichkeit der ehemaligen Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin verletzt und damit Geld verdient. Zu diesem Schluss kommt das Zuger Kantonsgericht.

Bei den Artikeln ging es um Geschehnisse an der Zuger Landammannfeier von 2014. Nach der offiziellen Feier kam es zwischen der damaligen Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin (Grüne) und einem Kantonsratskollegen zu einem Sexualkontakt. In einer Vielzahl von Artikeln wurde dabei prominent über Spiess-Hegglin berichtet.

«Blick»-Herausgeberin Ringier war in dieser Sache schon 2020 wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt worden. Im Januar 2022 machte die Anwältin von Spiess-Hegglin vor dem Kantonsgericht geltend, dass ihre Mandantin durch fünf weitere Artikel in ihrer Persönlichkeit verletzt worden sei. Ringier müsse den damit erzielten Gewinn herausgeben.

Das Kantonsgericht stufte die fünf Artikel als persönlichkeitsverletzend ein, wie aus dem Urteil, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt, hervorgeht. In einem Bericht sei die Verletzung aber in einem öffentlichen Interesse gestanden und damit gerechtfertigt gewesen. Bei den anderen vier Artikeln sei die Persönlichkeitsverletzung widerrechtlich gewesen.

Positiv auf Absatz ausgewirkt

Bei diesen vier Artikeln geht das Kantonsgericht davon aus, dass sie sich positiv auf den Absatz des «Blick» und damit den Geschäftserfolg von Ringier ausgewirkt haben. Es begründet dies mit der Aufmachung und der Ausrichtung der Artikel.

Der Verlag sei deswegen zu verpflichten, «sämtliche Informationen zur Eruierung und Abschätzung des erzielten Gewinns offenzulegen», heisst es im Urteil. Nach der erfolgten Herausgabe sei es an Spiess-Hegglin, ihren Anspruch am Gewinn zu beziffern.

Ringier wird eine Frist von 60 Tagen ab Rechtskraft des Urteils eingeräumt. Dabei präzisiert das Gericht in seinem Urteil die geforderten Informationen, etwa die Anzahl Einzelverkäufe gewisser «Blick»-Nummern oder die Anzahl Geräte, von denen aus an gewissen Tagen auf Online-Artikel zugegriffen wurde.

«Meilenstein in der Mediengeschichte»

Ringier hielt auf Anfrage fest, man prüfe eine Anfechtung des Urteils. Das Medienunternehmen betonte, dass das Gericht auf einen Teil der klägerischen Anträge nicht eingetreten sei und einen Teil abgewiesen habe.

In einer Mitteilung wertet die Anwältin von Spiess-Hegglin den Entscheid des Zuger Gerichts als «wichtig» für weitere Verfahrensschritte. Er konkretisiere erstmals unter Berücksichtigung der Digitalisierung den Berechnungsmechanismus bei der Gewinnabschöpfung.

Spiess-Hegglin bezeichnete den Gerichtsentscheid in einer Stellungnahme als «einschneidend für alle Medien, welche Clickbait betreiben». Clickbait bedeutet auf Deutsch Klick-Köder und ist eine Methode, um etwa mit reisserischen Überschriften die Nutzer von Online-Medien dazu zu bewegen, einen Artikel anzuklicken.

«Dies ist ein Meilenstein in der Mediengeschichte», schreibt Spiess-Hegglin weiter. In Zukunft müsse sich jedes Medium gut überlegen, ob es sich lohne, «in einer Kampagne – mit oft sehr persönlichkeitsverletzendem Inhalt – den nächsten und den übernächsten Artikel, welcher oft nur noch auf Gerüchten und übler Nachrede basiert, zu publizieren.»

Artikel gelöscht

Trotz der festgestellten Persönlichkeitsverletzungen verzichtet das Kantonsgericht darauf, diese im Urteilsspruch festzustellen. Es trat auf einen entsprechenden Feststellungsantrag von Spiess-Hegglin nicht ein. Das Gericht begründete dies damit, dass die Artikel online gelöscht worden seien. Es sei nicht dargetan worden, dass sie sich weiterhin störend auswirkten.

Das Urteil des Kantonsgericht ist noch nicht rechtskräftig. Es kann beim Obergericht des Kantons Zug angefochten werden.