Falschfahrer-Unfälle Senioren als Geisterfahrer – ein Fall für den Eignungstest?

uri

17.2.2020

Geisterfahrer sind häufig über 70 Jahre alt. (Symbolbild)
Geisterfahrer sind häufig über 70 Jahre alt. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Ein 82-jähriger Geisterfahrer verursacht auf der A6 drei Unfälle. Er stirbt, zwei weitere Personen werden verletzt. Der Unfall befeuert die Diskussion, ob Senioren öfters einen Eignungstest absolvieren sollten.

Die Geisterfahrt am Samstagvormittag auf der A6 endete bei Rubigen BE: Ein 82-jährige Lenker aus dem Kanton Bern hatte insgesamt drei Unfälle mit acht Fahrzeugen verursacht. Zwei Personen mussten verletzt ins Spital gebracht werden, der Falschfahrer starb noch am Unfallort.

Erst vor gut einer Woche war es zu einem ähnlichen Ereignis bei Rancate TI gekommen. Hier hatte ein 92-jähriger Falschfahrer einen Unfall mit insgesamt fünf Fahrzeugen verursacht. Auch er überlebte nicht.

Unfälle nach Falschfahrten sind selten – aber schwer

Wie die Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU mitteilt, sind Unfälle wegen Geisterfahrern auf der Autobahn selten, allerdings wiegen die Folgen dann besonders schwer. In der Schweiz ereignen sich demzufolge jährlich im Schnitt 13 Falschfahrer-Unfälle mit insgesamt vier Schwerverletzten und zwei Getöteten.



In der Schweiz existiert zwar keine öffentlich zugängliche Statistik zur Problematik, doch laut BfU sind auch hier über 70-Jährige und alkoholisierte Fahrer besonders oft an Unfällen nach Falschfahrten beteiligt.

Laut einer Untersuchung des bayerischen Innenministeriums aus dem Jahr 2012 sind ältere Autofahrer dabei bedeutend häufiger als Geisterfahrer unterwegs als junge Lenker. Gemäss der Auswertung aller in Bayern auffällig gewordener Falschfahrer in den Jahren zwischen 2008 und 2011 waren 39 Prozent über 70 Jahre alt. Die älteren Fahrer waren damit fast dreimal so oft an Unfällen nach Geisterfahrten beteiligt als andere Altersgruppen.

Vielfältige Gründe für Geisterfahrten

Wenig erstaunlich, wird die Problematik wieder zum Politikum. Gegenüber «20 Minuten» sagte Michael Töngi, Grünen-Nationalrat und Präsident der Verkehrskommission, man müsse aufgrund der steigenden Lebenserwartung und entsprechend mehr Autofahrern im höheren Alter künftig prüfen, «ob die Fahreignungsabklärungen streng genug sind».

Töngi bedauerte in diesem Zusammenhang auch, dass das Parlament die ärztlichen Gesundheitschecks erst kürzlich aufgeweicht habe. Seit dem 1. Januar 2019 müssen Senioren erst mit 75 statt mit 70 alle zwei Jahre zur Untersuchung.

CVP-Nationalrat Martin Candinas findet hingegen, man solle die Entwicklung noch weiter beobachten. Er fordert eine bessere Sensibilisierung der Autofahrer für das richtige Verhalten. Es könnten viele schwere Unfälle vermieden werden, wenn Geisterfahrer sofort anhalten würden, nachdem sie ihre Fehler bemerkt hätten. Auch Angehörige könnten helfen, wenn sie bei älteren und dementen Menschen aufmerksamer seien.

Kein Patentrezept

Kein Patentrezept für Falschfahrer-Unfälle hat auch BfU-Sprecher Marc Kipfer zu bieten, denn die Gründe seien «sehr vielfältig». Grosse Einbahnschilder etwa würden bei jenen Lenkern nichts ausrichten, die aus verschiedenen Gründen mitten auf der Autobahn ihre Fahrtrichtung ändern würden. Auch seien technische Lösungen wie Lasersysteme, die falsch auffahrende Autos erkennen würden, noch nicht ausgereift und würden noch zu viele Fehlalarme auslösen.

Strengere Fahrtauglichkeitstests sind für Kipfer ebenfalls keine Lösung, weil sie der Eigenverantwortlichkeit entgegenstehen würden: «Bescheinigt ein Arzt die Fahrtüchtigkeit für zwei Jahre, sind Lenker geneigt, so lange weiterzufahren», erklärte er «20 Minuten».

Die Senioren-Organisation Pro Senectute begrüsst die Abklärungen durch einen Arzt – Mediensprecher Peter Burri-Follath bringt auf Nau.ch zudem einen Gegenvorschlag zum Führerschein-Entzug in die Debatte ein: «Man könnte Zwischenstufen vereinbaren, beispielsweise, dass Senioren das Auto nur noch auf bekannten Strecken und nicht mehr auf der Autobahn nutzen», sagte er dem Portal. Dies ist bereits seit Juli 2016 möglich.

Gar keinen Handlungsbedarf will hingegen SVP-Nationalrat und ACS-Präsident Thomas Hurter erkennen. Er spricht gegenüber «20 Minuten» von tragischen Einzelfällen. Es sei deshalb nicht verhältnismässig, alle älteren Lenker unter Generalverdacht zu stellen. Auch Hurter plädiert für eine Sensibilisierung für die Problematik. Erfolgreich seien etwa Fahrkurse für ältere Lenker.


Tipps der BfU

  • Eine Lösung für das Geisterfahrer-Problem dürfte so schnell nicht gefunden werden. Umso wichtiger ist es: Radio und Verkehrsmeldungen zu hören
  • Bei einer Meldung über einen Geisterfahrer: auf der rechten Spur fahren und nicht überholenWenn Sie einen Geisterfahrer sehen: unverzüglich der Polizei melden
  • Wenn Sie einen Geisterfahrer sehen: unverzüglich der Polizei melden

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