Kunst «Sharity» – Kunstwerke rund ums Teilen, Tauschen und Verzichten

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5.3.2021 - 12:48

Teilen, tauschen und verzichten – diesem postmaterialistischen Lebensstil geht die Ausstellung «Sharity» im KunstZeughaus Rapperswil-Jona bis zum 16. Mai nach. Werke von 20 Kunstschaffenden aus der Schweiz und dem Ausland beleuchten das Thema facettenreich.

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«Sharity» verbindet die englischen Begriffe «share» (teilen) und «charity» (Wohltätigkeit). Mit dem Teilen werde «eine zum Lifestyle avancierte Urform unseres Daseins» thematisiert und hinterfragt, schreibt das Museum zur Ausstellung, die am Sonntag mit einem Tag des freien Eintritts eröffnet wird.

Am Treppenaufgang zum Oberlichtsaal lehnt ein rotes Velo – Alltagsgegenstand oder Kunst? «Wer will, darf es ausleihen und eine Runde um das KunstZeughaus fahren», sagt Museums-Co-Direktorin Simone Kobler. Der serbische Künstler Sladjan Nedeljkovic fragt mit seinem Mitmach-Kunstwerk nach der Definition von Kunst.

Gleichzeitig thematisiert das rote Velo die Sorgfalt als Bedingung für das Funktionieren von Sharing-Projekten. Je mehr ausgeliehenen Dingen Sorge getragen wird, desto länger können sie zirkulieren.

Spielzeug mitbringen

Ein bunter Spielzeughaufen springt ins Auge: «The Sharing Project» von Joel Tauber (Boston, USA) lädt das Publikum ein, selber Spielsachen mitzubringen und auf den Haufen zu legen. Am letzten Tag der Ausstellung dürfen sie mitgenommen werden. Allerdings nur unter der Bedingung, die Spielzeuge mit jemandem zu teilen.

Ian Anüll bat 2008 in Peking Menschen in den Strassen, für ihn die Worte «Made in China» – in Europa ein Symbol für schnell gefertigte Billigware – in chinesischen Lettern auf Leinwand zu schreiben. Der Tauschhandel funktionierte erst, als der Künstler den Passanten eine Tafel Schweizer Schokolade anbot. Die Schriftzeichen wirken dekorativ.

«Sharity» veranschaulicht, wie Reparieren, Teilen und Tauschen zu einer gesellschaftlichen Veränderung und einem postmaterialistischen Lebensstil beitragen können. Ein Spiegelbild des Trends zum Teilen bieten die sozialen Medien: Erlebnisse, Fotos, Gedanken und Gefühle lassen sich (mit)teilen, ohne selber auf etwas zu verzichten.

«Alle Daten dem Volke»

Die Basler Künstlerin Meret Buser hat in einer interaktiven Video-Installation aus Küchenbrettchen Rezepte ihrer Grossmutter festgehalten, um sie mit der Nachwelt zu teilen. Um unfreiwilliges Teilen geht es hingegen im grossformatigen Wandgemälde «Alle Daten dem Volke» des dänischen Künstlerkollektivs Superflex.

Hinterfragt wird hier das Datensammeln zu kommerziellen und staatlichen Zwecken in der digitalisierten Welt. Der Schriftzug ohne Interpunktion kann als Frage oder Forderung verstanden werden und setzt einen Kontrapunkt zum aktuellen elitären Zugang zu Daten.

Isabell Krieg (Freiburg) hat aus dem Telefonbuch ihres Heimatorts alle Personen gestrichen, die sich nicht als Paar oder Familie haben eintragen lassen. Übrig bleiben auf den Seiten nur vereinzelte Vornamen von Menschen, die ein Zuhause oder eine Telefonnummer teilen.

Daneben ist das «Quatschmobil» der St. Galler Künstler-Zwillinge Frank und Patrik Riklin dokumentiert. Das neongelbe Auto war 2014 in Luzern und Düsseldorf unterwegs. Wer bereit war, mit dem Chauffeur während der Fahrt pausenlos über ein Thema zu sprechen, durfte gratis einsteigen.

Gute Tat als Übernachtungspreis

In der Ausstellung ist allerdings nur noch das gelbe Steuerrad zu sehen. Gegenüber befindet sich als grossformatiges Bild ein Wohnwagen: Die tschechische Künstlerin Katerina Seda lud 2019 Menschen ein, für eine Übernachtung mit einer guten Tat – Müll entsorgen, putzen oder beim Zügeln helfen – zu bezahlen.

Simone Kobler hätte den Wohnwagen gerne im Original vor dem KunstZeughaus platziert. Dies sei aber aus Kostengründen nicht möglich, bedauert die Co-Direktorin. Die gezeigten Werke sind keine Auftragsarbeiten des Museums, sondern wurden in ausgiebigen Recherchen entdeckt und für die Ausstellung nach Rapperswil geholt.

Mit «Sharity» ist eine ideen- und facettenreiche Schau entstanden, welche die Besucherinnen und Besucher zum Mitmachen, Schmunzeln und Nachdenken anregt. Integriert ist auch eine Fotodokumentation über den Zeughausgarten, einem Gemeinschaftsprojekt auf dem Areal des KunstZeughauses.