Notruf aus China «Sind gezwungen, gegen unseren Willen zu arbeiten. Bitte helft uns»

phi

23.12.2019

Florence Widdicombe fand in ihrer Weihnachtskarte einen Hilferuf.
Florence Widdicombe fand in ihrer Weihnachtskarte einen Hilferuf.
Bild: Keystone

Eine Sechsjährige will in London ihre Büsi-Weihnachtskarte beschriften, als sie feststellt: Da steht schon was. Der Hilferuf aus China von ausländischen Zwangsarbeitern soll authentisch sein.

Florence Widdicombe aus London denkt zuerst, die Nachricht, die sie in ihrer gerade gekauften Weihnachtskarte entdeckt, sei ein Scherz – immerhin sei es «ziemlich komisch», dass die Ansichtskarte mit einem Büsi in einer Weihnachtsmütze schon beschrieben ist.

Darin steht in Grossbuchstaben: «Wir sind ausländische Gefangene im Qinqpu-Gefängnis in Shanghai, China. Sind gezwungen, gegen unseren Willen zu arbeiten. Bitte helft uns und verständigt Menschenrechtsorganisationen.»

Die Sechsjährige zeigt die Karte ihrer Mutter. «Es hat eine Stunde gedauert, bis wir es begriffen haben», sagt Florence gegenüber «Sky News». «Als wir darüber nachgedacht haben, erkannten wir, dass das tatsächlich eine potenziell sehr ernste Sache sein könnte», ergänzt ihr Vater Ben Widdicombe in der «Times on Sunday»: «Ich war deshalb ziemlich geschockt.»

Journalist kennt Gefängnis aus eigener Erfahrung

Die Nachricht enthält auch einen Namen und die Bitte, sich bei dieser Person zu melden. «Ich habe mich verantwortlich gefühlt, sie Peter Humphrey zu übergeben, wie es sich der Verfasser auserbeten hat.»

Seiner Tochter erzählt Ben Widdicombe nur das Nötigste. «Wir haben ihr erklärt, dass die Person, die es geschrieben hat, ein Insasse eines chinesischen Gefängnisses ist und dass die Person die Wärter gemein findet, weil diese sie arbeiten lassen», zitiert ihn die Nachrichtenagentur «Associated Press». Die Familie hat die Katzen-Karte bei der Detailhändler-Kette «Tesco» gekauft, die jedes Jahr Weihnachtskarten verkauft, deren Erlös wohltätigen Organisationen gespendet wird.

Der besagte Peter Humphrey kann schliesslich betätigen, dass die Nachricht authentisch ist: Der frühere Journalist und seine Frau waren zwei Jahre in China eingesperrt – «wegen einer erlogenen Anklage». Der Brite kennt das Qinqpu-Gefängnis aus eigener, leidvoller Erfahrung: Er glaube zu wissen, wer die Nachricht geschrieben hat, behalte den Namen aber aus Furcht von Sanktionen aber für sich. Die Arbeit der Insassen reiche vom Verpacken von Waren bis zur Verarbeitung von Kleidung – angeblich auch für westliche Luxusmarken.

Nicht der erste Hilferuf

«Als ich Peter im Internet ausfindig machte, habe ich seine Geschichte mitbekommen und [die ganze Sache] wurde ziemlich ernst und auf gewisse Weise sehr erschreckend», erinnert sich Ben Widdicombe. Tochter Florence ist von dem Hilferuf auf ihrem Büsi-Kärtchen «ein bisschen schockiert». Ein Tesco-Sprecher betont, dass der Detailhändler keine Produkte anbieten will, die von Zwangsarbeitern gemacht werden: Der Zulieferer werde nun überprüft, so der Konzern.

Es ist nicht die erste derartige Nachricht aus China, die Kunden in Grossbritannien entdecken. 2017 fand eine Sainsburys-Kundin aus Essex eine ähnliche Botschaft in einer Weihnachtskarte, weiss der «Guardian».

2014 holte eine Frau aus Nordirland einen Zettel aus einer in China gefertigten Hose, auf dem stand: «Unser Job im Gefängnis ist es, Mode für den Export anzufertigen. Wir arbeiten 15 Stunden am Tag und das Essen, das wir bekommen, würden wir nicht mal unseren Schweinen und Hunden vorsetzen.»

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