Skirennen Skiweltcuprennen in Adelboden wegen Corona ohne Zuschauer

hn, sda

9.1.2021 - 14:12

«Alleeeez!»: Mit weit ausgebreiteten Armen steht ein junger Skifan auf dem Balkon eines Chalets und brüllt seinen rauhen «Brunstschrei» in den Talkessel von Gsür und Lohner hinaus. Ansonsten ist es still am Samstagmorgen in Adelboden.

Normalerweise stimmen tausende Kehlen im Zielgelände des Weltcup-Riesenslalomhangs am Chuenisbergli Fangesänge wie das Vogellisi-Lied an. Ein rot-weisses Fahnenmehr begrüsst in der Regel die Rennfahrer nach fast überstandenem Rennen am wohl schwierigsten Technikhang des Weltcups. Im eigens errichteten Weltcup-Dörfli wärmten bislang Punsch und Co. Füsse, Hände und Fan-Seele.

Doch von alledem ist am Samstag nichts zu sehen und hören. Schuld ist die Coronapandemie, die dafür sorgt, dass die Ski-Weltcuprennen in diesem Winter bis auf Weiteres ohne Publikum durchgeführt werden müssen. Geisterrennen nennt sich das.

Die Verantwortlichen des Berner Oberländer Weltcupklassikers nahmen dies wörtlich und ergänzten kurzerhand das Logo des Anlasses mit einem kleinen schwarzen Gespenst. Es erinnert die Skifans daran, zu Hause zu bleiben und die Rennen am Fernsehen mitzuverfolgen.

Aufruf wirkt

Der Aufruf scheint seine Wirkung nicht zu verfehlen. Adelboden ist am Samstag problemlos und ohne Gedränge in Zug und Bus zu erreichen. Einige Einheimische und Skifahrer sind unterwegs. Eine überschaubare Zahl.

Und auch im Dorf Adelboden ist an diesem kalten Morgen kaum etwas los. Zwei Frauen eines Security-Dienstes patrouillieren durchs Dorf. Sie können sich darauf beschränken, den einen oder die andere Skifahrerin zu freundlich bitten, die Schutzmaske über die Nase hochzuziehen. Grössere Menschengruppen, die es aufzulösen gälte: Fehlanzeige.

Blick aufs Chuenisbärgli

Vereinzelt zieren Schweizerfähnchen die Chalets. Da und dort steht jemand auf dem Balkon und versucht mit dem Feldstecher auf die Rennpiste am Chuenisbärgli hinüber zu spähen. Aus einem offenen Fenster dringen Staccato-Fetzen eines Fernsehkommentators.

Auf einer sonnigen Bank sitzt ein junges Paar, das auf dem Mobiltelefon das Rennen im Fernsehen verfolgt. Ab und zu heben die beiden den Kopf und versuchen, das Gesehene mit dem Geschehen am fernen Hang in Einklang zu bringen, wo sich gerade die winzige Figur eines Skifahrers durch die Tore schlängelt.

Fehlende Umsätze

Ein wenig Tristesse liegt trotz Schnee und Sonnenschein an diesem Morgen über Adelboden. Wenig zu lachen hat derzeit auch das Adelbodner Gewerbe. Die Restaurants sind zu, Hotels und Ferienwohnungen kämpfen mit fehlendem Umsatz, die Läden müssen mit Einschränkungen leben. Dafür sorgt die Coronapandemie.

Und nun fehlen auch die rund 35'000 Zuschauerinnen und Zuschauer, die jeweils für den Weltcup-Klassiker nach Adelboden kommen. Sie generieren für den Ort eine beträchtliche Wertschöpfung, wie Christian Haueter, Geschäftsleiter der Adelbodner Weltcuprennen auf Anfrage sagte.

Für die Rennen selber rechnet Haueter mit einem Verlust im sechsstelligen Bereich. Dieser dürfte allerdings durch Unterstützungsgelder des Bundes aufgefangen, so dass am Ende die Veranstaltung keine allzu grossen Einbussen gewärtigen muss.

Halbvolles Glas

Das Gewerbe erziele nun am Weltcupwochenende «bei weitem nicht den Umsatz, den wir eigentlich möchten», sagte Fritz Künzi, Garagist und Präsident des Adelbodner Gewerbevereins der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Insbesondere die Dorfvereine hätten jeweils viele Helfer für den Rennanlass gestellt und so die Vereinskasse aufgebessert.

Doch ins Jammern verfallen mag Künzi nicht: «Wir sind auf jeden Fall froh, dass die Behörden das Skigebiet nicht ganz geschlossen haben und die Rennen durchgeführt werden können». So könnten beispielsweise die Hotellerie und Zulieferer einen gewissen Umsatz generieren. «Für uns ist das Glas immer noch halb voll und nicht halb leer», bilanziert Künzi.

In zahlreichen Hotels ist der Weltcuptross untergebracht; sie sind also bestens gebucht. Anders sieht es für jene Gastgeber aus, die keine Fahrer-, Betreuer- oder Medienteams beherbergen. «Ferienwohnung frei» prangen deshalb Schilder an diversen Chalets im Dorf. Eindeutige Gewinner des Rennwochenendes sind hingegen die Anwohner des Zielgeländes. Ohne Zuschauertribüne haben sie für einmal freie Sicht auf das Geschehen.

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